Bild nicht mehr verfügbar.

Der Frankfurter Börsenindex auf dem Weg hinauf im Oktober 2013.

Foto: Reuters/Pfaffenbach

Aktienkurse steigen, sagt der Hausverstand, wenn die Wirtschaft besser läuft. Denn der Wert von Unternehmensanteilen hängt von den Gewinnen ab, die sich wiederum in der Höhe der Dividendenzahlungen niederschlagen. Und in einer starken Konjunktur machen Unternehmen üblicherweise höhere Profite.

So weit, so einfach. Doch es gibt auch einen anderen Faktor, der Börsenkurse beeinflusst – die Rentabilität von alternativen Geldanlagen, vor allem festverzinsliche. Wenn Zinsen steigen, dann werden Festgeldkonten, Geldmarktpapiere und Anleihen interessanter. Dann müssen Aktien umso mehr abwerfen, um mithalten zu können. Steigende Zinsen belasten daher normalerweise die Börsenkurse.

Steigende Zinsen, fallende Kurse

Und hier wird es kompliziert. Denn stärkeres Wachstum bedeutet meist auch ein Anstieg der Zinsen. Bei starker Nachfrage können Unternehmen die Preise erhöhen, bei fallender Arbeitslosigkeit steigen die Löhne. Beides kann die Inflation anfeuern. Und um diese zu verhindern, erhöhen die Notenbanken meist schon recht früh ihre Leitzinssätze.

Deshalb – und nicht etwa, weil Investoren so hartherzig sind und Schlangen vor den Arbeitsämtern mögen – führen etwa überraschend gute Arbeitsmarktzahlen oft zu einem Rückgang der Aktienkurse.

Ein stärkeres Wachstum kann daher die Börsen beflügeln oder auch belasten – je nachdem. Das macht Prognosen für Aktienkurse unberechenbar und das Investieren an der Börse so kompliziert.

Bessere Konjunktur im Westen

Im Jahr 2013 gab es eine ganz besondere Konstellation: Die Konjunktur hat etwas angezogen, vor allem in den USA, Großbritannien und Japan, weniger in der Eurozone oder den Schwellenländern. Aber die Zinsen sind niedrig geblieben und in Japan sogar weiter gefallen.

Mit der Ausnahme jener Wochen im Frühsommer, als die Analysten fälschlicherweise mit einem Ende der US-Geldschwemme gerechnet hatten („Tapering"), waren Zinsängste in den Märkten so gut wie unbekannt. Selbst die jüngsten vorsichtigen Ankündigungen der Fed lassen darauf hindeuten, dass die Geldpolitik noch einige Zeit sehr locker bleiben wird.

Kein Wunder, dass die Börsen ein sensationell gutes Jahr hatten. Der Frankfurter Dax und der New Yorker Dow-Jones-Index legten bis Freitag mehr als 25 Prozent zu und beenden das Jahr mit den höchsten Zuwächsen seit Jahren und auf neuen Rekordständen. Der Nikkei in Tokio schoss sogar 55 Prozent in die Höhe.

Wenn die Zinsen steigen

Ich will und kann keine Prognosen abgeben, aber eines ist klar: Die Konstellation von 2013 war einmalig und wird sich nicht so schnell wiederholen. Wenn die Konjunktur in den Industriestaaten - wie vorausgesagt - weiter anzieht, dann werden auch die Zinsen steigen. Bleiben die Zinsen so niedrig wie jetzt, dann nur, weil die Wirtschaftsentwicklung enttäuscht. Beides – mehr Wachstum und ganz billiges Geld – werden die Anleger nicht wieder bekommen.

Deshalb ist es jetzt an der Zeit, an den Börsen einen Gang zurückzuschalten und zumindest vorsichtiger zu werden. Denn früher oder später kann auch das gegenteilige Szenario eintreten: Die Notenbanken drehen an der Zinsschraube, weil sie erste Anzeichen einer höheren Inflation sehen, ohne dass es der Wirtschaft besonders gut geht und die Unternehmensgewinne weiter steigen.

Dann fallen die Kurse auch ohne Finanzkrise, Kriegen oder großer Rezession. Zuletzt gab es solche Entwicklungen in den 1980er-Jahren.

Den Jahreswechsel können die Börsianer trotzdem ausgiebig feiern. Und wenn wieder Normalität an den Aktienmärkten einkehrt, dann können sie mit Wehmut an das wunderbare Jahr 2013 zurückdenken. (Eric Frey, derStandard.at, 29.12.2013)