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So soll es den Planungen zufolge im November ablaufen: Die ESA-Sonde "Rosetta" setzt den Lander "Philae" auf dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko ab.

Illustration: AP Photo/ESA, C.Carreau

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Wien/Graz/Darmstadt - Fast zehn Jahre nach dem Start beginnt nun für ein spektakuläres Weltraumforschungsprojekt bald die entscheidende Phase: Erstmals wird im November mit "Rosetta" eine Raumsonde auf einem Kometen landen. Im Jänner wird die ESA-Sonde dazu aus ihrem jahrelangen Tiefschlaf geweckt.

"Rosetta" wurde am 2. März 2004 mit einiger Verspätung gestartet. Grund dafür war der Absturz einer Trägerrakete vom Typ Ariane 5 kurz vor dem für Anfang 2003 geplanten Start. Das ursprüngliche Ziel der Mission, Komet Wirtanen, musste deshalb aufgegeben werden. Mit dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko wurde ein neues Jagdobjekt gefunden.

Am Ursprung des Sonnensystems

Die Sonde soll erstmals einen Kometenkern direkt und über lange Zeit untersuchen. Man geht davon aus, dass Kometen noch nahezu unverändert aus jenem Material bestehen und jenen interstellaren Staub enthalten, aus dem sich vor rund 4,5 Milliarden Jahren Sonne und die Planeten gebildet haben. Die Mission könnte deshalb Aufschlüsse über die Ursprünge des Sonnensystems bringen, so wie der namensgebende "Stein von Rosetta" die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen ermöglicht hat. Auch darauf, ob Kometen einst Wasser und Leben auf die Erde brachten, erhoffen sich die Forscher neue Hinweise.

Der Komet hat einen Durchmesser von rund vier Kilometern, umrundet die Sonne in einer exzentrischen Bahn alle 6,6 Jahre und bewegt sich dabei zwischen den Bahnen von Jupiter und Erde. Um ihn zu erreichen, musste die Raumsonde nach ihrem Start mehrfach durch Swing-By-Flüge die Schwerkraft von Planeten - dreimal von der Erde, einmal vom Mars - nutzen, um Schwung zu holen. Auf dieser Reise nutzte sie den knappen Vorbeiflug an den beiden Asteroiden (2867) Šteins im Jahr 2008 und (21) Lutetia im Jahr 2010 für erste wissenschaftliche Beobachtungen. Für diese Phasen wurde die Sonde jeweils aus ihrem elektronischen "Winterschlaf" geweckt.

Weckruf am 20. Jänner

Seit 8. Juni 2011 befindet sich "Rosetta" erneut in einem energiesparenden Tiefschlaf. 31 Monaten Winterschlaf stellen aber keinen neuen Rekord dar: Die ESA-Sonde "Giotto" zum Halleyschen Kometen Mitte der 1980er Jahre war insgesamt 46 Monate inaktiv, so die Astrobiologin Pascale Ehrenfreund. Die Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF ist an den Wissenschaftsteams von zwei Instrumenten beteiligt.

Der Wecker für "Rosetta" ist für 20. Jänner, 11.00 Uhr, gestellt, dann soll sie für die finalen Vorbereitungen aktiviert werden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Sonde noch neun Millionen Kilometer von Tschurjumow-Gerasimenko entfernt. Zunächst werden die Navigationsinstrumente aufgewärmt und die Hauptantenne auf die Erde ausgerichtet.

Dann werden die elf Instrumente der Raumsonde und die zehn Instrumente der Landeeinheit nach und nach eingeschaltet und ihre Funktion getestet. Nach fast zehn Jahren Reisezeit ist dies eine Phase, die den Wissenschaftern durchaus Sorge bereitet.

Mögliche Probleme

Der Leiter des Instituts für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz, Wolfgang Baumjohann, rechnet damit, dass die lange Ruhephase vor allem bei der Mechanik Probleme machen könnte. "Wer rastet, der rostet - das gilt auch für die mechanischen Teile der Sonde", so Baumjohann. Probleme könnte es etwa bei den beweglichen Teile des vom IFW entwickelten Instruments MIDAS geben, mit dem der Kometenstaub analysiert werden soll. Dieses spezielle Mikroskop ist eines von mehreren österreichischen Beiträgen zu der Mission.

Kopfzerbrechen bereiten auch die Gyroskope. Ursprünglich wurde die Sonde mit vier solcher Kreisel stabilisiert. Eines sei bereits ausgefallen, ein weiteres nicht mehr ganz in Ordnung gewesen, als die Sonde in die Schlafphase versetzt wurde, so Baumjohann. Sollte es nun nicht mehr funktionieren, müsste zusätzlich mit den Steuerdüsen stabilisiert werden - was allerdings die Treibstoffvorräte und damit später die Manövriermöglichkeiten reduziert.

Schwieriger Orbit

Ende Mai 2014 wird die Sonde jedenfalls endgültig auf den Kurs zum Rendezvous mit Tschurjumow-Gerasimenko gebracht. Im August soll "Rosetta" schließlich zu dem mit mehr als 100.000 Kilometer pro Stunde dahinrasenden Kometen aufgeschlossen haben und in eine Umlaufbahn um ihn einschwenken.

Laut Baumjohann ist die Umlaufbahn noch nicht fix. Wegen seiner nur sehr geringen Anziehungskraft sei gar nicht so einfach, einen so kleinen Körper zu umrunden. So wird voraussichtlich bei zunehmender Annäherung an die Sonne alleine der Druck des vom Kometen ausströmenden Gases die Gravitationskraft aufheben.

Mit der Annäherung an den Kometen werden erste, voraussichtlich sensationelle Bilder erwartet. In dieser Phase startet auch die Arbeit der elf Experimente an Bord der Sonde. Von besonderem Interesse für die Wissenschafter ist die Frage, wie sich die Eigenschaften des Kometen mit zunehmender Annäherung zur Sonne verändern, wie er antaut und langsam beginnt auszugasen und einen immer größer werdenden Schweif ausbildet.

Die Landung

Spektakulärer Höhepunkt der Mission soll die Landung auf dem Kometen im November werden. Die Sonde wird dazu die Landeeinheit "Philae" abkoppeln, die auf der Oberfläche von Tschurjumow-Gerasimenko aufsetzen soll. "Wir wissen wenig über die genaue Zusammensetzung von Kometenkernen", nennt Pascale Ehrenfreund eines der Probleme dabei. Die weiche Landung von "Philae" - rund ein Kubikmeter groß, mit einer Masse von 100 Kilo - stellt deshalb eine besondere Herausforderung dar. Wegen der geringen Anziehungskraft des Kometen sollen spezielle Vorrichtungen dafür sorgen, dass der Lander nach dem Aufsetzen auch auf der Oberfläche bleibt und nicht wieder zurück in den Weltraum katapultiert wird.

Zwei Harpunen sollen für die Fixierung sorgen. Sie dienen aber nicht nur der Verankerung, sondern werden beim Eindringen in den Boden gleichzeitig dessen mechanische Eigenschaften ermitteln - auch dafür wird österreichische Technik verwendet. Zusätzlich sind zur festen Verankerung in den drei Lande-Beinen neben einer Reihe von Sensoren auch Eisschrauben integriert, die in den Boden gedreht werden.

Nach der Landung soll eine Bohrvorrichtung rund 20 Zentimeter in den Kometen eindringen und Material entnehmen, das in verschiedenen Instrumenten analysiert wird. Insgesamt zehn Experimente an Bord des Landers werden die Zusammensetzung des Kometen und dessen mechanische, thermische, magnetische und elektrische Eigenschaften untersuchen. Projektleiter für den Lander beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist der Österreicher Stefan Ulamec.

Das absehbare Ende

Orbit und Landung auf dem Kometen machen "Rosetta" zu einer extrem komplexen und anspruchsvollen Mission. Aufgrund der großen Entfernung und der langen Signalübertragungszeit kann von der Erde aus kaum steuernd eingegriffen werden, alle Manöver müssen von der Sonde selbst autonom durchgeführt werden.

"Rosetta" und "Philae" werden aus nächster Nähe beobachten können, wie sich der Komet bei der Annäherung an die Sonne verändert. Die Landeeinheit ist so konstruiert, dass sie rund sechs Monate lang die harten Umweltbedingungen auf der Kometenoberfläche aushalten könnte. Ihr Schicksal ist aber vorprogrammiert: Wenn Tschurjumow-Gerasimenko im darauffolgenden August wieder seinen sonnennächsten Punkt erreicht haben wird, wird "Philae" voraussichtlich bereits durch das Wegbrechen von Material mitgerissen worden sein oder den Hitzetod erlitten haben. Am Ende ihrer Mission - voraussichtlich Ende 2015 - wird "Rosetta" 7,1 Milliarden Kilometer durch das Sonnensystem zurückgelegt haben. (APA/red, derStandard.at, 31.12. 2014)