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Während Mexikos Ölförderung zurückgeht, mausern sich die USA zum größten Ölproduzenten der Welt.

Foto: ap/andrieski

In Mexiko fällt eines der letzten Heiligtümer der Revolution: Das staatliche Erdölmonopol Pemex wird für private Investoren geöffnet. In einer umstrittenen Lesung bewilligte der Senat Ende Dezember die verfassungsändernde Vorlage der Regierung, nachdem vorher schon das Abgeordnetenhaus zugestimmt hatte. Mit den Stimmen der regierenden Partei der Institutionellen Revolution (PRI) und der konservativen Nationalen Aktion passierte die Vorlage im Eilverfahren den Kongress, stieß jedoch auf erbitterten Widerstand der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD).

Linke Abgeordnete blockierten mit Stühlen und Tischen die Zugänge zum Sitzungssaal, traten in Hungerstreik, ein Redner zog sich sogar auf dem Podium aus Protest bis auf die Unterhose aus - um zu symbolisieren, wie die Mexikaner gerade über den Tisch gezogen würden. "Dies ist ein schwarzer Tag in der Geschichte Mexikos", sagte der linke Abgeordnete Ricardo Monreal und sprach von Hochverrat. "Die eigentlichen Verräter sind die gewalttätigen, reaktionären Linken, die weiter ihr Geschäft mit der Armut machen wollen", entgegnete der PAN-Abgeordnete Rubén Camarillo.

Lizenzen und Beteiligungen erlaubt

"Wir müssen unser Nationaleigentum verteidigen, das Öl gehört den Mexikanern", erklärte in einem Fernsehspot Cuauthémoc Cárdenas (PRD), Sohn des Ex-Präsidenten Lázaro Cárdenas, der in den 30er-Jahren das Erdöl verstaatlicht und die ausländischen Konzerne aus dem Land geworfen hatte. Die PRD organisierte große Demonstrationen gegen die Verfassungsänderung, die das Projekt aber nicht bremsen konnten. Die Hälfte der Bundesstaaten muss der Verfassungsänderung noch zustimmen; das gilt jedoch als unproblematisch, da PRI und PAN eine klare Mehrheit haben.

Dem Gesetz zufolge sind künftig private Beteiligungen, sogenannte Joint Ventures, im Erdölsektor erlaubt, sowohl im Servicebereich als auch bei der Förderung. Auch die Vergabe von Förderlizenzen soll möglich sein. Die Vorkommen bleiben aber weiterhin Staatseigentum, sie können also nicht in den Bilanzen der Konzerne aufgeführt werden. Unklar sind viele Details, die in den kommenden Wochen noch ausgearbeitet werden müssen, zum Beispiel, ob Partner die Federführung der Operationen übernehmen können und welchen Prozentsatz sie an den Joint Ventures halten dürfen.

Die ausländischen Konzerne begrüßten die Reform, zeigten sich jedoch zurückhaltend, bis alle Details bekannt würden. Sorgen macht den möglichen Investoren auch der Einfluss des organisierten Verbrechens, das Pipelines abzapft, Pemex infiltriert hat und den Norden des Landes kontrolliert, wo mutmaßlich Schiefergasvorkommen sind.

Bevölkerung gespalten

"Damit kann Mexiko sein Potenzial im Energiesektor ausschöpfen", sagte Alberto Ramos von Goldman Sachs. "Für die Industrie sind vor allem die Offshore-Vorkommen im Golf von Mexiko interessant", erklärte Pete Garcia von der US-mexikanischen Handelskammer, allen voran Exxon und Chevron gelten als Anwärter. Die mexikanische Bevölkerung ist laut Umfragen gespalten. 65 Prozent sind gegen eine Öffnung des Staatsmonopols. Eine Rolle spielen die schlechten Erfahrungen aus der Privatisierung der Banken und Telekomgesellschaft, die teure Tarife und miserablen Service zur Folge hatte. Die PRD will gegen die Verfassungsänderung deshalb ein Referendum einberufen und vor das Verfassungsgericht ziehen.

Die Regierung argumentiert, der Schritt sei nötig, weil die Erdölreserven des Landes zurückgingen und der Konzern alleine nicht die Technologie und das Kapital aufbringen könne, um Vorkommen in der Tiefsee oder per Fracking zu gewinnen. Die Erdölindustrie ist einer der kapitalintensivsten Sektoren überhaupt.

Förderung schrumpft

Weltweit sind gemischte staatlich-private Konsortien üblich, selbst in "sozialistischen" Ländern wie Venezuela, Russland oder Kuba. Mexiko war bisher eine Ausnahme. Die Vorkommen schrumpfen aber, die Förderung ging in den letzten Jahren zurück, von 3,4 Mio. Fass im Jahr 2004 auf heute 2,5 Millionen, während der Konsum aufgrund des Wirtschaftswachstums anstieg.

"Mexikos Raffinerien sind heute nicht viel mehr als Schrott", sagt der Erdölexperte vom Institut für Wissenschaftliche Forschung und Lehre (CIDE), Alejandro Villagómez. Nach Angaben des Pemex-Direktors Emilio Lozoya braucht der Konzern alleine für die Modernisierung der Raffinerien 40 Milliarden Dollar. Derzeit exportiert Mexiko sein Rohöl und importiert teures Benzin.

Ein Drittel des Staatshaushaltes stammt von Pemex. Künftig sollen die Erdöleinnahmen nach norwegischem Vorbild in einen Fonds der Zentralbank fließen; auch Änderungen in der Zusammensetzung des Aufsichtsrates sollen für mehr Transparenz sorgen und den Einfluss der korrupten Erdölgewerkschaft und Vetternwirtschaft bei der Auftragsvergabe mindern. Die Energiereform ist das Herzstück der Strukturreformen, die Präsident Enrique Peña Nieto angestoßen hat, um Mexiko zu modernisieren. (Sandra Weiss aus Puebla, DER STANDARD, 27.12.2013)