Peter Vujica, 1937–2013. Foto aus dem Jahr 1998.

Foto: matthias cremer

Graz – Am 26. März 2007 erschien im Standard die vorerst letzte Konzertkritik von Peter Vujica. Denn bei ihm war akute myeloische Leukämie, Blutkrebs in seiner aggressivsten Form, diagnostiziert worden. Ein halbes Jahr später, am 24. November, beschrieb Vujica im Album unter dem Titel "Keine Zeit zu sterben" sein Martyrium – und seine Genesung: "Der Tod ist mir offenbar nicht wohlgesonnen. Vielleicht ist er auch nur alt und müde und sieht schon schlecht. Mich hat er jedenfalls entgegen allen Erwartungen einfach liegenlassen.“

Seit August hatte Peter Vujica wieder aus der Welt der Kultur berichtet, zunächst von den Salzburger Festspielen, die so etwas wie eine Überlebensmotivation gewesen waren: Sie wollte er keinesfalls versäumen. Die Freude, dem Tod ein Schnippchen geschlagen zu haben, war derart groß, dass er überhörte, was die Ärzte gesagt hatten: Altersleukämie bricht oft nach zwei Jahren wieder aus. Und so kam es auch. Am 20. Juni 2009 war Vujicas definitiv letzter Text zu lesen.

Der Rückfall stellte sich als viel schlimmer, viel demoralisierender heraus. Es fand sich schließlich eine Frau, die ihm Knochenmark spendete. Vujica hatte nun eine andere Blutgruppe, er galt sogar als geheilt. Aber es kam zu heftigsten Abwehrreaktionen. Fortan war Vujica ans Bett gefesselt. Und immer wieder stellte er sich die Frage: "Was muss ich verbrochen haben, weil ich nicht sterben darf?“ Am Christtag schließlich durfte er im Krankenhaus Enzenbach nahe Graz friedlich einschlafen.

Vujica war nicht nur für dreizehn Jahre Kulturressortleiter des Standard. Er war Widerspruchsgeist, Komponist, Roulette-Experte, Schriftsteller, Drehbuchautor, Förderer zeitgenössischer Musik, Numerologe, Pünktlichkeitsfanatiker, Uhrenfetischist, Schwammerlsucher,  Genussmensch, Lehrmeister und und und. Er war ein Universalist – und ein Universum.

Geboren am 7. Dezember 1937 in Graz, studierte er Germanistik, Anglistik sowie Musik. Ende der 1950er-Jahre half er mit beim Bau des Forums Stadtpark, am 11. November 1960, eine Woche nach der Eröffnung, wurde ebendort seine Sonate für Violine und Klavier sowie eine Toccata zur Uraufführung gebracht. Schon damals nannte er sich als Künstler Peter Daniel Wolfkind. Denn sein serbischer Name – Vujicas Familie stammt aus Montenegro – bedeutet "kleiner Wolf".

Er veröffentlichte seine ersten Kritiken, zunächst in der kommunistischen Zeitung Wahrheit, danach bei der konservativen Süd-Ost-Tagespost. Von 1963 bis 1966 war er Dramaturg an der Grazer Oper, ab dann Kulturredakteur bei der Kleinen Zeitung. Von 1968 bis 1973 organisierte er nebenbei das von ihm mitbegründete Musikprotokoll, das eine tragende Säule des Steirischen Herbstes werden sollte. 1980 wurde er zum Direktionsmitglied des damaligen Avantgardefestivals bestellt, ab 1982 war er dessen erster Intendant.

Zu jener Zeit hatte er sich auch als Erzähler fantastischer und höchst makabrer Geschichten einen Namen gemacht: Die Bände Mondnacht (1972) und Die Boten des Frühlings (1975) wurden Mitte der 1980er-Jahre von Suhrkamp neu aufgelegt.

Anfang 1989 holte ihn Gerfried Sperl, bis 2007 Chefredakteur des Standard, als Kulturressortleiter nach Wien; der letzte noch von Vujica konzipierte "Herbst" stand unter dem Motto Chaos und Ordnung – und damit wie kein zweiter für dessen Denken.

Ab dem 13. Jänner 1993 trat Vujica mit seiner Leserschaft allwöchentlich in einen Dialog. Die erste Kolumne trug den Titel Bitte, blättern Sie weiter!, was kaum einer befolgte. Denn Peter Vujica konnte, wie in seinen pointiert formulierten Kritiken, unglaublich amüsant sein. Mitunter gestattete er sich aber auch bissige Kommentare, die manchen zur Weißglut trieben. Denn Vujica kritisierte die Nato und die EU, er wies darauf hin, dass die Serben nicht nur töteten, sondern auch getötet wurden, er ließ ihnen, ähnlich wie Peter Handke, Gerechtigkeit widerfahren.

2001, nach seiner Pensionierung, schrieb er weiter für den Standard. Und er komponierte wieder. Es gab ein paar Uraufführungen, aber nie eine reguläre Veröffentlichung. Als Sonderedition liegt auf CD lediglich ein achtminütiges, mächtiges Stück für Synthesizer und Pauken (und ohne Trompeten) vor. Es nennt sich Tango funebral. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 27.12.2013)