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Emotionen und Totschlagargumente beherrschen den Diskurs rund um die Parawissenschaften

 

Foto: AP/salvatore allegra

Keine Sympathie für "Heilung auf geistigem Weg", einseitige Berichterstattung, Ausklammerung von "wichtigen Phänomenen". So lautete nur ein kleiner Auszug der Reaktionen auf die Parawissenschafts-Serie von derStandard.at/Gesundheit. Ob nun als Mail oder als Posting - unübersehbar, dass bei Quantenheilung, Lichtnahrung und Heilerzirkeln die Emotionen überschwappen. Die Foren wurden zum Brennpunkt für einen intensiven Austausch - unter den Top zehn der meistgeposteten Artikel im Gesundheitsressort sind acht dem Parawissenschafts-Schwerpunkt zuzuordnen.

Befürworter von alternativen Methoden berichteten hier von ihren eigenen, positiven Erfahrungen, aktive Heiler,  Reinkarnationstherapeuten oder Energethiker (sic!) verwiesen auf die große Zufriedenheit ihrer Patienten. Kritische Stimmen erwiderten, dass es keine nachweisbaren, wissenschaftlichen Belege für die Wirkung von Parawissenschaften gäbe, um sich daraufhin den Vorwürfen ausgesetzt zu sehen, dass die Wissenschaft die Wahrheit nicht für sich gepachtet habe.

Totschlagargumente heiß begehrt

Als dann schließlich Ende November das "Goldene Brett" verliehen wurde, war der Höhepunkt erreicht. Der Preis für den größten, erstaunlichsten, pseudowissenschaftlichen Unfug ging heuer an die "Homöopathen ohne Grenzen". Die Organisation nutze die hohe Reputation von "Ärzte ohne Grenzen" aus, um in Afrika, Asien, Südamerika und Südosteuropa mit Globuli zu missionieren und schreckte dabei nicht einmal davor zurück, eine Wirksamkeit von Homöopathie gegen Malaria und AIDS zu suggerieren, lautete die Begründung.

Prompt veröffentlichte die Organisation auf ihrer Webseite eine Stellungnahme, in der sie danach fragt, was die "Motivation für den jahrelang fortwährenden missionarischen Eifer der Skeptiker gegen Homöopathie", sei. Und weiter: "Sicher, viel Ehr für die Homöopathie schafft viel Neid bei der Konkurrenz." Für das Engagement der Skeptiker wird auch oft eine finanzielle Zuwendung durch die Pharmaindustrie vermutet. "Das sind Totschlagargumente, die eine Diskussion unmöglich machen, da ist es egal, welche Studienergebnisse es gibt", sagt die Psychologin Ulrike Schiesser.

Menschen und Rituale

Ob jemand an übernatürliche Phänomene glaubt, hängt nicht nur damit zusammen, dass die Kirche an Einfluss verliert, der Mensch aber dennoch an etwas Glauben möchte - in der ganzen Diskussion sollten menschliche Grundbedürfnisse nicht außer Acht gelassen werden. Denn, und davon ist Schiesser überzeugt: Menschen benötigen Rituale. "Je mehr Ritual da ist, desto mehr hat der Mensch das Gefühl, da passiert etwas Richtiges, etwas Echtes", sagt die Psychologin. So verlangen manche Heiler bestimmte vorbereitende Handlungen, bevor sie Interessierte behandeln - etwa, dass diese drei Monate davor eine Fastenkur anfangen. "Das Ritual selbst ist dann ziemlich spektakulär und wirkt dann befreiend", erklärt Schiesser. Schamanen böten Rituale an, die Mediziner eben nicht durchführen.

Dennoch - auch in der Medizin können kleinere Rituale dem Patienten helfen: "Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Patienten besser diagnostiziert fühlen, wenn der Hausarzt ihren Blutdruck bei jedem Besuch misst, egal, ob das notwendig ist oder nicht", meint Schiesser. Bei diesen Arztterminen spiele es eine große Rolle, wie man als Patient behandelt wird: Kurze Behandlungszeiten schüren das Gefühl, nicht als Person gesehen zu werden - daher suchen Patienten nach Alternativen.

Apotheken verkaufen viel

Diese Alternativen sind nicht nur frei im Internet zugänglich - auch Apotheken bieten mittlerweile ein nicht zu verachtendes Sortiment an: Von Engelsessenzen, Bachblüten, über Schüßlersalze bis hin zu den umstrittenen homöopathischen Mitteln ist alles dabei.

Für den mittlerweile pensionierten Apotheker Edmund Berndt eine kritische Situation. "Ich habe immer versucht, meinen Kundenraum in der Apotheke von Wundermitteln freizuhalten", berichtet er. Homöopathie als Apotheker zu verweigern, das ginge hingegen nicht, weil es sich um ein amtlich zugelassenes Mittel handle, das auch von Ärzten als Rezept verschrieben würde. "Aber zwischen dieser Verpflichtung und der aktiven Bewerbung und Zurschaustellung liegen Welten", sagt Berndt.

Sich als Apotheker ausschließlich durch den Verkauf von Arzneimitteln, die durch die Krankenkassa bezahlt werden, zu finanzieren, das werde immer schwieriger, kritisiert Berndt: "Seit praktisch 20 Jahren hat es kontinuierlich Preissenkungen für Medikamente gegeben, die auf Kassenrezept verschrieben werden dürfen." Auch die demographiebedingte, steigende Zahl an älteren Patienten könne diesen Verlust nicht wettmachen.

Tee und Essiggurkerln

Doch auch fernab von Apotheken breitet sich das Angebot aus: So verkündete die Lebensmittelkette Spar vor wenigen Monaten, in auserwählten Filialen Granderwasser in ihr Sortiment aufzunehmen - jenes belebte Wasser, das nicht nur heftig umstritten ist, sondern für das der Konsument pro Liter auch 12,10 Euro berappen muss. 

Andere Firmen hingegen treten den Rückzug an. So hat das Unternehmen "Sonnentor", das Bio-Produkte wie Tees und Gewürze verkauft, sechs Jahre lang den Barcode auf den  Verpackungen mit einem Querstrich "entstört", um das Produkt vor vermeintlich negativen Kräfte zu schützen.

Die Reaktionen der Konsumenten führten zu einem Umdenken: Ende Juni dieses Jahres verkündete die Firma, künftig auf den durchgestrichenen Barcode zu verzichten. "Aufgrund der vielen Reaktionen und unserer eigenen Einstellung haben wir uns nun bewusst gegen das "Entstören des EAN-Codes" entschieden", heißt es in einer Stellungnahme. "Sonnentor" ist nicht das einzige Unternehmen, das zurückgerudert ist: Auch der Gemüsekonservenerzeuger efko hat die Verwendung von Granderwasser wieder aufgegeben. Ein positives Beispiel für Berndt, denn: "Glauben Sie mir, Essiggurkerln & Co schmecken hervorragend!" (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 27.12.2013)

Zum Weiterlesen: Die besten Postings zu den Parawissenschaften