Ein gutes Indie-Jahr geht zu Ende, und spätestens mit der Umarmung der unabhängigen Spielentwickler durch die Next-Gen-Konsolen Xbox One und PS4 dürfte auch den letzten Zweiflern klar sein, dass die kleinen, innovativen und nicht durch Millionenbudgets an den Massengeschmack gefesselten Spiele eine große Zukunft haben werden. Ausnahmetitel wie "Gone Home", "The Stanley Parable", "Kentucky Route Zero" oder "Papers, Please" nehmen nicht zu Unrecht prominente Plätze in den diversen "Game of the Year"-Listen ein, und auch derStandard.at hat in seinem Jahresrückblick auf die besten Spiele 2013 zu Recht den Unabhängigen breiten Platz eingeräumt.

Vor Weihnachten gab es nochmals einen richtiggehenden Schub an Indie-Veröffentlichungen, doch Vorsicht: Mit dem nahenden Weihnachtsfest versuchte heuer eine Rekordanzahl von Indie-Entwicklern, es dem Indie-Megaseller "Minecraft" nachzumachen: "Early Access" bedeutet nach wie vor, dass man als Spieler gegen Bezahlung Zugang zu einer mal mehr, mal weniger fertigen frühen Arbeitsversion eines Spiels bekommt. Was gut für die Entwickler und den Aufbau einer treuen Fanbasis ist - und Markus "Notch" Persson zum Multimillionär gemacht hat -, kann allerdings auch zum Spielerärger führen, wenn das vermeintlich schon gekaufte Spiel sich als weniger fertig darstellt als erhofft, bei Updates Spielstände verschwinden oder Versprechen schlicht nie eingehalten werden.

Bild: "Nether" will "DayZ" herausfordern

Early-Access-Hype

Weihnachten 2013 war im Indie-Bereich tatsächlich das Fest des Early-Access-Hypes - eine große Anzahl an nur halbfertigen Titeln warb um kauflustige Frühbucher. Neben der Standalone-Version des Zombie-MMO-Ausnahmespiels "DayZ" durften Abenteuerlustige auch schon die Alpha des direkten Herausforderers "Nether" anspielen oder in der Survival-Sandbox "Rust" als nackter Höhlenmensch herumlaufen. In "Maia" wiederum soll der Reiz der Ameisenfarm-Simulation eines "Dwarf Fortress" in den Weltraum übertragen werden, und auch das heiß ersehnte "Wasteland 2" ist bereits jetzt besichtigbar.

Für einen Wegweiser wie diese monatliche Serie ist diese Entwicklung hin zum Halbfertigen natürlich ein zweischneidiges Schwert: Einerseits will man ja über Neuerscheinungen, auch welche in Alpha, berichten, andererseits fällt es recht schwer, die oft sehr rudimentären Rohlinge mit den irgendwann in ferner Zukunft geplanten fertigen Spielen oder zeitgleich erscheinenden normalen Releases zu vergleichen. Drum sei hier ein goldener Mittelweg angestrebt: Wenn "Early Access"-Spiele ausreichend Spiel und außergewöhnliches Spielerlebnis bieten, werden sie auch weiterhin als "Best of"-Spiele vorgestellt - auch wenn das Datum der Version 1.0 noch in weiter Ferne liegt.

Zum letzten Mal in diesem Jahr hier also die Indie-Empfehlungen des Monats - nicht nur, aber auch für Alpha-Abenteurer.

Starbound (Windows, Mac, Linux, 13,99 Euro - Early Access)

"Starbound" ist ein Phänomen: Als eines der am heißesten erwarteten Indie-Spiele des Jahres schoss das Multiplayer-Open-World-2D-Sandbox-Dings bei Beginn des "Early Access" Anfang Dezember an die Spitze der Steam-Charts. Die inzwischen zahlreichen Fans brechen bei beschreibenden  Vergleichen mit "Terraria" oder "Minecraft" in Wutgeheul aus, deshalb nur so viel: In Seitenansicht erforscht man ein prozedural generiertes, schier unendliches Science-Fiction-Universum mit einzigartigen Planeten, Aliens und Ressourcen, baut Basen, erntet Rohstoffe, craftet und kämpft, teilt seine Planeten mit freundlichen oder feindlichen Mitspielern und verliert sich in der schieren Unendlichkeit an Aktivitäten.

Foto: Starbound

Darkout (Windows, 11,99 Euro - Early Access)

Es mag schnöde klingen, zur Würdigung dieses Ausnahmespiels das ebenfalls vor kurzem im Alphazugang erschienene "Darkout" anzuknüpfen, doch zugleich ist es zu verlockend, weil in weiten Teilen ähnlich: Auch hier erforscht man allerdings nur einen einzigen prozedural generierten Planeten, craftet, kämpft und baut. "Darkout" sieht besser aus, doch die Retro-Optik von "Starbound" soll nicht über die Komplexität dieses großen, kleinen Spiels hinwegtäuschen. Wer mit dem kreativen Endlos-Gameplay von "Minecraft" und "Terraria" etwas anfangen kann, wird auch bei diesen beiden Early-Access-Perlen seinen Spaß haben - mehr Spielstunden pro Euro wird man vergeblich suchen.

Foto: Darkout

Steamworld Dig (Windows, Mac, Linux, 3DS 8,99 Euro)

Wer's gerne etwas strukturierter und weniger arbeitsintensiv mag, wird an "Steamworld Dig" seine helle Freude haben: Im drolligen Steampunk-Look buddeln wir uns als Cowboy-Roboter immer tiefer ins Erdinnere, um dort Juwelen, Erze und so manches Geheimnis auszugraben. Der ursprünglich für Nintendos 3DS erschienene und jetzt migrierte originelle Buddel-Plattformer verbindet geschickt das süchtigmachende Minengraben des Klassikers "Motherlode" mit dem Jump'n'Run-Style von "Spelunky" und motiviert durch den Wechseln von Graben, Rätseln, Springen und Upgradekauf. Für alle, denen das knochenharte Zufallsgameplay von "Spelunky" zu hart war, bietet "Steamworld Dig" eine überaus  charmante Alternative mit vielen eigenen Ideen und Metroidvania-Flair. Für Spieler jeden Alters eine wahre Freude.

Foto: Steamworld Dig

The Novelist (Windows, Mac, 19,99 Euro)

Wer sich von seinen Spielen nicht nur blanken Eskapismus und adrenalinreiche Unterhaltung erwartet, sondern durchaus auch mit ernsteren Themen und realistischeren Szenarien etwas anfangen kann, sollte "The Novelist" ins Auge fassen. Das "game about life, family and the choices we make" versetzt uns als körperlosen Geist ins Heim der Familie Kaplan, in dem jedes Familienmitglied schwere Entscheidungen zu treffen hat, die entweder auf Kosten des eigenen Glücks oder jenes der anderen Familienmitglieder gehen. So unterstützen wir als unsichtbare Präsenz nun entweder Vater Dan bei seinem Wunsch, ein großer Autor zu werden, bestärken Mutter Linda in ihrem Streben nach einem intensiveren Familienleben oder helfen Sohn Timmy dabei, zwischen diesen schwierigen Erwachsenen ein glückliches Kinderleben zu führen. Alles zu gleichen Teilen wahr werden zu lassen geht natürlich nicht, und so zeigt sich im Erfüllen der Wünsche des einen oft das Unglück des anderen Familienmitglieds. Es spricht für "The Novelist", dass es keine moralinsaure "Botschaft" verkünden will und sich in wiederholten Partien immer wieder überraschend menschlich und auch optimistisch zeigt. Für Freunde des besonderen Spiels auf jeden Fall einen Blick wert.

Foto: The Novelist

7 Days to Die (Windows, Mac 31,99 Euro)

Insider sagen "Survival Horde Crafting Game", alle anderen murmeln - schon wieder - "Minecraft", plus Zombies, doch die Basics sind dieselben: Auch in der (ausnahmsweise nicht prozedural generierten!) Sandbox-Welt von "7DTD" ist kreatives Sammeln, Bauen und Craften Pflicht - nur dass man im Gegensatz zum knuddeligen Genrevorvater "Minecraft" keine klotzig-niedlichen Skelettchen, sondern halbverfaulote Untote in desolaten Vorstädten zu Gesicht bekommt. Jawohl, "7DTD" kommt der praktischen Antwort auf jene nachmitternächtliche Partyklassikerfrage recht nahe, was man denn bei einer Zombieapokalypse am besten zum eigenen Überleben unternehmen solle: sich mit anderen Überlebenden (am besten den eigenen Freunden) zusammenrotten, Waffen und Werkzeuge beschaffen, Vorräte bunkern und verbarrikadieren, verbarrikadieren und nochmals verbarrikadieren. Dies vor allem deshalb, weil nachts aus den bei Tageslicht stumpf dahintrottenden vormals Lebenden rasende Horden blutgieriger Bestien werden, die zu mickrig vernagelte Holztüren mal eben eintreten und uns auffressen. Wer die Welt von "The Walking Dead" mal so richtig selbst bewohnen wollte und unter "home improvement" immer schon das Anlegen von pflockbewehrten Gräben verstand, sollte sich "7DTD" unbedingt gönnen.

Foto: 7 Days to Die

The Room Two (iOS iPad; iPhone und Android folgen. 3,99 Euro)

Der Vorgänger war eines der schönsten und faszinierendsten Puzzlespiele für mobile Geräte, der Nachfolger bringt mehr vom Bewährten und kann schlechthin als Showcase für das Gaming-Potenzial des Apple-Tablets bezeichnet werden: Wie hier auf wunderbar taktile, anschauliche und sofort verständliche Art und Weise aus Berührungen, Puzzle-Elementen und Stimmung das iPad zum Rätselobjekt gemacht wird, sollten sich alle Tabletbesitzer zumindest wegen des Wow-Faktors unbedingt einmal angesehen haben. Die vertrackten Mechanismen, geheimnisvollen Objekte und hintergründigen Puzzles des Vorgängers spielen auch im Nachfolger die Hauptrolle, doch diesmal ist alles noch größer, umfangreicher und ambitionierter. Ein bisschen Grusel, ganz viel beeindruckende Atmosphäre und das Gefühl, ganz außerordentlichen Objekten ihre Geheimnisse zu entlocken machen "The Room Two" wie den Vorgänger zum Must-Buy für iPad-Spieler - Android-Tablets sowie iPhones sollen in Kürze ebenfalls folgen.

Foto: The Room Two

... und der Rest

Was gab' s noch? Telltales "The Walking Dead", ewiges Streitthema in der Frage nach der Indie-Haftigkeit, startete in Staffel zwei, das ganz famose "Samurai Gunn" ist endlich, endlich erschienen und liefert konkurrenzlosen Spaß für adrenalingetränkte Mehrspielermatches mit vier blutrünstigen Samurais am selben PC. Jump'n'Run-Freunde erfreuen sich überdies am originellen Magnet-Plattformer "Teslagrad" und mit der Steam-Version des Klassikers "Tales of Maj'Eyal", kurz "ToME", findet auch in der allerletzten  "Best of Indie"-Ausgabe des Jahres das unvermeidliche Genre der Rogue-likes seinen Ehrenplatz - immerhin handelt es sich dabei nämlich um eines der allerklassischsten Exemplare.

2014 kann kommen - für Indie-Freunde wird es wieder ein gutes Jahr werden. Guten Rutsch! (Rainer Sigl, derStandard.at, 30.12.2013)

Foto: Teslagrad