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Besuch des Ortes, an dem Jesus auf die Welt gekommen sein soll.

Foto: EPA/ABED AL HASHLAMOUN

Auf den steilen Straßen, die ins Zentrum von Bethlehem führen, stauen sich die Autos und Reisebusse. Unter den Menschen, die zur Geburtskirche drängen, stechen Gruppen aus Nigeria mit ihren gelben oder weißen Kappen hervor. Bana, eine palästinensische Rechtsanwältin aus dem israelischen Galiläa, stöbert nach Geschenken - sie ist mit ihrer Schwester und fünf Kindern herübergefahren, "weil man hier die Feiertage spürt"; aber auch, "um die örtliche Wirtschaft in Palästina zu fördern".

Hinter der scheinbaren Betriebsamkeit verbirgt sich aber viel Leerlauf, ärgert sich Vera Baboun, seit etwas mehr als einem Jahr Bürgermeisterin von Bethlehem und die erste Frau in diesem Amt. "Vielleicht hat es etwas mit dem Image von Bethlehem zu tun", rätselt sie, "in europäischen Städten verbringen Touristen ein paar Tage, aber hier nur drei Stunden".

Sie hat Programme gestartet, die mehr Besucher für längere Aufenthalte anlocken sollen, etwa Konzerte und Aufführungen schon ab Anfang Dezember. Im Südteil des 30.000-Seelen-Städtchens wird zwar auch ein Industriegebiet entwickelt, aber der Abhängigkeit vom Tourismus wird der Geburtsort Jesu nie entkommen können, meint Baboun.

Immerhin: Bei der Dekoration der Straßen musste das Rathaus heuer nicht sparen; und auch die städtischen Angestellten bekommen jetzt pünktlich ihre Gehälter. "Verglichen mit früher gibt es viel mehr Wohlstand", sagt Lawrence, ein Engländer, der mit seiner Frau und drei Kindern in Bethlehem lebt und für eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitet. Das Weihnachtsfest sei hier nicht so kommerziell wie in Europa, "aber sehr oft geht es mehr um das Feiern des palästinensischen Staates. Der politische Aspekt ist bei den Feiern sehr stark."

Wie zur Bestätigung steht jetzt vor dem "Peace Center" am Krippenplatz ein Weihnachtsbaum aus Stacheldraht, behängt mit israelischen Tränengasgranaten - er gehört zu einer Ausstellung von Installationen, die das Leid ausdrücken sollen, das der Konflikt mit Israel verursacht.

Paradoxerweise ist aber gerade das Westjordanland eine Insel relativer Ruhe, und christliche Palästinenser sorgen sich insbesondere um ihre Glaubensgenossen. "Unsere Schwestern und Brüder in Syrien werden abgeschlachtet, es ist eine Schande für die christliche Welt, eine große Schande", sagt George Abu-Farha. "Wie können wir uns vorstellen, Weihnachten zu feiern, wenn unsere Brüder und Schwestern so unmenschlich behandelt werden?" Der pensionierte Schweißer ist ein griechisch-orthodoxer Christ aus dem Nachbarort Bet Sahur. Er sitzt bei seinem alten Freund John Abu-Eita in dessen Souvenirladen. Mit dem Geschäftsjahr ist der Händler zufrieden, aber das ist für ihn nicht das Wichtigste: "Wir sehnen uns nach Frieden, nicht nach Touristen, wir brauchen den Frieden, wir wollen leben."

"Möchte hierbleiben"

Vollkommen glücklich wirkt hingegen David Dacos aus Nigeria, der mit seiner Gruppe zehn Tage im Heiligen Land verbringt: "Alles ist wunderbar, ich möchte am liebsten hierbleiben." Dass die Geburtsbasilika durch Metallgerüste, Holzverkleidungen und Planen verunstaltet ist, stört ihn nicht. Dass eine der heiligsten Stätten des Christentums so lange nicht saniert wurde, liegt an den hohen Kosten, aber auch daran, dass drei Religionsgemeinschaften um die Zuständigkeit wetteifern: "Sie müssen alle einverstanden sein: Armenier, Griechisch-Orthodoxe, Katholiken. Sagt einer Nein, steht alles still", erläutert Fremdenführer Mohammed Awadallah. Regenwasser gefährdet bereits Fresken und Mosaike. In einer ersten Phase nimmt sich eine italienische Firma daher das Holzdach und die Fenster vor.  (Ben Segenreich aus Bethlehem, DER STANDARD, 24.12.2013)