Erwin Pröll trägt den Schirm, unter den sich der Vizekanzler ducken muss: Das ist das Bild, das die ÖVP derzeit abgibt. Und man geht keineswegs im Gleichschritt - auch das fällt auf.

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Wien - Michael Spindelegger ist Vizekanzler, Finanzminister und Bundesparteiobmann der Volkspartei. In letzterer Funktion hat er allerdings nur einen Teil der Partei hinter sich. Um so wichtiger ist es, auf wen er sich in der Partei verlassen kann. Beruhigend für ihn ist, dass er die zwei größten und mächtigsten Landesorganisationen hinter sich hat: Niederösterreich und Oberösterreich.

Und noch etwas wird hinter vorgehaltener Hand zugegeben: Es gibt derzeit niemanden, der sich darum reißen würde, das undankbare Amt des Vizekanzlers bis zum Wahljahr 2018 zu übernehmen. Aber: Allzu sicher dürfe sich der Parteichef auch da nicht sein - denn wenn die Landeschefs sich "das in Wien nimmer anschauen wollen, kann das schnell gehen", sagt ein steirischer Politiker.

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der als heimlicher und wahrer Machthaber in der Volkspartei gilt, ist Spindelegger gegenüber zur Stunde so loyal wie zu noch keinem Obmann davor. Spindelegger selbst mag sich nicht immer ganz sicher sein, aber auf Pröll könne er sich voll und ganz verlassen, beteuern enge politische Weggefährten von beiden. Das mag auch daran liegen, dass Niederösterreich im schwarzen Teil der Bundesregierung gut vertreten ist: Spindelegger selbst kommt aus Hinterbrühl bei Mödling. Johanna Mikl-Leitner, die Innenministerin, war jahrelang in der Landesregierung, ehe sie in die Herrengasse nach Wien wechselte. Der neue Justizminister Wolfgang Brandstetter hat zumindest einen Zweitwohnsitz in Niederösterreich, und selbst Sebastian Kurz, der neue Außenminister, kann politisch zum Teil Niederösterreich zugerechnet werden: Er hat bei der niederösterreichischen Volkspartei im Rahmen der "next generation" eine Ausbildung gemacht.

Auch Generalsekretär Gernot Blümel ist gebürtiger Niederösterreicher - und ein Beispiel, dass sich Spindelegger nur mit Leuten umgeben will, die er aus seinem engeren Umfeld lange kennt.

Stolze Landespartei

Dennoch könne von einer Verniederösterreicherung der ÖVP keine Rede sein, betont man in St. Pölten, verweist aber zugleich auf das jüngste Wahlergebnis: Ein Drittel der Stimmen für die ÖVP bei der Nationalratswahl kam aus Niederösterreich, das waren 310.354 Stimmen, das weiß man in St. Pölten ganz genau - und ruft es auch in Wien gerne immer wieder in Erinnerung.

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer ist auf Linie, das sind auch Wien und Kärnten, was aber mangels Bedeutung in der Partei nicht sonderlich relevant ist. Alle anderen sind mehr oder weniger sauer: das Burgenland, weil es keinen Minister und nur einen einzigen Abgeordneten im Nationalrat hat. Mit den Tirolern gibt es ein schweres Zerwürfnis wegen des Abgangs von Karlheinz Töchterle als Wissenschaftsminister. Landeshauptmann Günther Platter ist nach wie vor schwer erzürnt, weil er sich von Spindelegger ausgebremst fühlt, da ändert auch die Bestellung von Andrä Rupprechter zum Landwirtschaftsminister nichts. Das Verhältnis zwischen Platter und Spindelegger sei irreparabel zerstört, sagt ein Insider.

Der Vorarlberger Markus Wallner pflegt vor den Landtagswahlen im kommenden Jahr seinen Trotz gegen Wien, ohne den Konflikt aber eskalieren zu lassen. Der Steirer Hermann Schützenhöfer trägt seine eigene Schwäche im Kampf mit Wien aus, in Wien glaubt man zu wissen: "Auf die Steirer ist kein Verlass."

Neu ist das Zerwürfnis mit Salzburg. Dass bei der Arbeitsgruppe zur Zukunft der Schule, die Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer auf ÖVP-Seite leitete, so gut wie nichts herauskam, hat sowohl Haslauer selbst als auch Spindelegger sehr enttäuscht. Beide geben einander wechselseitig die Schuld daran.

Bei den Bünden hat Spindelegger die Senioren, die Jugend und den ÖAAB hinter sich, mit den Frauen ist er im Konflikt, mit dem Wirtschaftsbund und den Bauern ist es eine mehr oder weniger brüchige Zweckgemeinschaft.

In dieser Situation gilt es als ganz wichtig, dass Spindelegger das Finanzministerium übernommen hat. Einen Konflikt mit dem Finanzminister können sich die Länder nämlich nicht leisten.(Conrad Seidl, Michael Völker, DER STANDARD, 24.12.2013)