Wien/Klosterneuburg - Die in den 1950er-Jahren entwickelte Spieltheorie beschreibt Entscheidungssituationen, in denen sich mehrere rationale Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen wechselseitig beeinflussen. Zentral dabei ist, dass der Erfolg des Einzelnen nicht nur vom eigenen Handeln, sondern auch von den Aktionen anderer abhängt. Wissenschafter des Institute of Science and Technology (IST) Austria haben nun Vergebung als die erfolgsversprechendste Strategie im so gennanten "Gefangenendilemma" identifiziert, wie sie im Fachjournal "Plos One" berichten.

Kooperation oder Verrat

Das "Gefangenendilemma" ist ein wichtiges Modell der Spieltheorie. Dabei haben zwei Teilnehmer zwei Handlungsmöglichkeiten: Sie können entweder kooperieren oder ihren Mitspieler verraten. Ein mögliches Beispiel: Zwei Personen wurden verhaftet, weil sie im Verdacht stehen, gemeinsam eine schwere Straftat begangen zu haben. Die Behörden machen ihnen folgendes Angebot: Wenn beide die Tat gestehen, kommen sie mit je drei Jahren Gefängnis davon. Gesteht eine Person die Tat während die andere leugnet, gilt die erste Person als Kronzeuge und muss nur ein Jahr in Haft. Die ungeständige zweite Person muss hingegen mit der Höchststrafe von fünf Jahren rechnen. Schweigen beide, wandern sie wegen kleinerer Delikte für je zwei Jahre hinter Gitter.

Wichtig dabei ist, dass die Verdächtigen in getrennten Zellen verhört werden und sich nicht austauschen können. Das Spiel geht über mehrere Runden und die Teilnehmer können das Verhalten des anderen in den vorherigen Runden in ihre Entscheidungen einbeziehen. Ein rational denkender Betroffener stehet aber offensichtlich vor einem Dilemma: Soll er einfach gestehen und damit auf nur ein Jahr Gefängnis hoffen? Wenn aber der Komplize auch so denkt und beide gestehen, fassen beide mit drei Jahren die zweithöchste mögliche Strafe aus. Da wäre es noch besser, würden beide schweigen. Wenn der Betroffene nun schweigt, die andere Person aber gesteht, drohen aber gleich fünf Jahr Gefängnis.

Kurzfristige Verluste, langfristiger Profit

Krishnendu Chatterjee und Johannes Reiter vom IST Austria haben nun ein Szenario entworfen, in dem sich zwei Spieler über viele Runden hinweg abwechselnd entscheiden müssen, ob sie kooperieren oder einander betrügen. Anhand eines mathematischen Modells und durch Computersimulationen konnte das Forscherteam zeigen, dass eine bestimmte Strategie zu langfristigem Erfolg im Gefangenendilemma führte.

Die Wissenschafter haben diese Strategie "Forgiver", also "Vergeber", genannt. Dabei würde ein Spieler, der vom anderen Spieler betrogen bzw. verraten wird, ebenfalls mit Betrug bzw. Verrat antworten, danach aber "vergeben" und wieder zur Kooperation zurückkehren. Kurzfristig mag dies zwar mit Verlusten verbunden sein, langfristig würde man aber am meisten von dieser Strategie profitieren. "Angesichts all des - absichtlichen oder unabsichtlichen - Fehlverhaltens in der realen Welt, ist die Vergebung wichtig, um gesunde, kooperative Beziehungen zu erhalten", so die Forscher. (APA/red, derStandard.at, 23.12.2013)