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Sebastian Kurz im Büro der kroatischen Außenministerin Vesna Pusić.

Foto: APA/Tatic

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Vorschusslorbeeren entpuppen sich oft als schwere Last, aber gehört hat Sebastian Kurz das Lob vermutlich dennoch sehr gern: "Ich kann Österreich nur gratulieren zu diesem neuen Außenminister", sagte seine kroatische Amtskollegin Vesna Pusić am Freitag nach dem ersten Kennenlernen in Zagreb. "Er geht mit Maß, aber auch sehr viel Energie an die Arbeit. Das ist ein neuer Geist, der allen guttut."

Kroatien war – am vierten Tage nach Kurz' Angelobung – das Ziel der ersten Auslandsreise des Neo-Ministers. "Ich habe mich bewusst so schnell für Kroatien entschieden, weil dieses Land ein sehr wichtiger Partner für uns ist", erklärte Kurz. "Und zwar nicht nur historisch und kulturell, sondern auch auf der menschlichen Ebene. Über eine Million Österreicher machen regelmäßig hier Urlaub, und zehntausende Menschen mit kroatischen Wurzeln leben in Österreich. Das verbindet." Dazu kommt, dass Österreich mit Abstand der größte ausländische Investor in Kroatien ist.  

Wäre das Außenamt der Logik etwa der Präsidentschaftskanzlei gefolgt, so hätte der erste Antrittsbesuch vermutlich in die Schweiz oder nach Deutschland geführt. "Ich weiß aber noch gar nicht, wann ich nach Berlin reisen werde", sagt Kurz im Gespräch mit dem STANDARD. Die Wahl fiel also auf Kroatien, auch aus einem wichtigen politischen Grund: "Die Visite soll ein klares Signal an die Länder am Westbalkan sein, aber auch an die Europäische Union: Österreich begrüßt den EU-Beitritt Kroatiens (der am vergangenen 1. Juli stattfand, Anm.), und wir suchen auch mit den anderen Ländern in der Region die Zusammenarbeit und fördern deren Perspektive eines Beitritts zur Union."

Ausdrücklich betonte Kurz, dass er die EU-Beitrittsgespräche mit Serbien ab Jänner 2014 "natürlich unterstützen" will. Der neue Außenminister zeigte sich auch bemüht, nicht als Träumer zu erscheinen. "Ich will nicht eine Erweiterung um jeden Preis erzwingen. Es muss Kriterien geben, die für alle gleichermaßen gelten. Und diese müssen auch erfüllt werden." Österreichs Außenpolitik werde in den kommenden  Jahren hier einen großen Schwerpunkt setzen. "Ein Beitritt der Länder hier in der Region ist für uns relevanter als solche in anderen Gegenden."

Türkei keine große Priorität

Damit meinte er unausgesprochen wohl die Türkei, ein Thema, dem er schon in einem Interview mit dem STANDARD keine große Priorität beigemessen hatte und das auch im Regierungsprogramm entsprechend abgehandelt ist: Besondere Partnerschaft, aber kein EU-Beitritt ohne vorherige Volksabstimmung. Und diese würde nach menschlichem Ermessen – nicht nur in Österreich – negativ ausfallen. 

Angelobung am Montag, erste Auslandsreise am Freitag – klingt rekordverdächtig. Und war es fast auch. Schneller als Außenminister Sebastian Kurz war nur Werner Faymann: Der war schon am Donnerstag als neuer alter Bundeskanzler zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist.

So kurz wie die Zeitspanne zwischen Angelobung und Reise war dann auch die Organisation: Informell stand man seit Ende vergangener Woche in Kontakt mit Zagreb, berichtete ein österreichischer Diplomat, "doch erst nach der Vereidigungszeremonie hatten wir einen Außenminister, und erst dann konnten wir die Reise tatsächlich organisieren."

Da war es logistisch sicher kein Nachteil, dass im Zagreber Außenministerium am Freitag die hausinterne Weihnachtsfeier angesetzt war und daher alle benötigten Personen – von der Außenministerin abwärts – zur Verfügung standen. 

Auch wenn die kroatischen Medien die Auslandsberichterstattung oft eher stiefmütterlich behandeln: Der Premierenbesuch eines neuen Außenministers, zumal eines bloß 27-jährigen, war offenbar für sie doch etwas Besonderes. Und entsprechend groß war auch das Medieninteresse.

Diesem zeigte sich Kurz durchaus gewachsen. Offensichtlich gut vorbereitet, zeigte er sich sowohl im Gespräch mit Diplomaten als auch beim Termin im Außenministerium und später mit Präsident Ivo Josipović gut informiert – die Palette umfasste nicht bloß bilaterale Freundlichkeiten, sondern auch konkretere, handfestere Themen wie das angestrebte Restitutionsgesetz und den EU-Haftbefehl (Lex Perkovic), der ab 1. Jänner 2014 umgesetzt werden soll.

"Ein fliegender Start"

Wohl deshalb funktionierte auch Außenministerin Pusić das anfangs rein protokollarische Treffen kurzerhand zum Arbeitsbesuch um, sprich: Es wurden bereits konkrete Projekte angegangen, von einem Einvernehmen über engere Kooperation zwischen den diplomatischen Korps bis hin zur Entwicklung einer "Trilaterale" zwischen Österreich, Kroatien und Slowenien. Die Zusammenarbeit, die bereits auf Beamtenebene existiert, soll schon in Bälde auf Ministerebene gehoben werden. "Das war heute ein fliegender Start, darüber freue ich mich sehr", so Pusić.

Zur politischen Strategie des neuen Außenministers gehört offenbar auch eine Charmeoffensive: Als Gastgeschenk gab es für Pusić einen österreichischen Christstollen. Und ebenfalls zur Imagepflege kann der Umstand gezählt werden, dass der Minister samt Delegation nicht per Charterflieger, sondern mit einem frühmorgendlichen Linienflug nach Zagreb reiste – Händeschütteln und Erinnerungsfotos mit Fluggästen inklusive.

Kurz will seine Besuchsdiplomatie gleich nach den Feiertagen intensiv fortsetzen: "Ich will möglichst bald alle Nachbarländer besuchen. Schon im Jänner geht es nach Serbien und in den Kosovo, und auch Bosnien-Herzegowina steht auf dem Programm. Ich will mithelfen, die ganze Region an die EU heranzuführen", kündigte der neue Minister an.  

Ob Absichtserklärungen und Süßigkeiten längerfristig ausreichen werden, ist aber fraglich. Die Mühen der Ebene und Rückschläge bei zermürbenden Verhandlungen stehen Kurz natürlich noch bevor. Aber zumindest hat er sich mit Elan auf die Reise begeben. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 20.12.2013)