Nur eine Erklärung dafür, warum aus dem früheren Sommerloch an der Côte d'Azur eine Winterflaute wurde: Die Weihnachtsbäume an der Riviera sind gewöhnungsbedürftig.

Foto: CRT Riviera Côte d'Azur / Anaïs Brochiero

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Im Winter Flüge von Wien nach Nizza zum Beispiel mit Tyrolean - zum Teil nonstop -, Austrian, Lufthansa, Air France / KLM, Swiss - meist mit einem oder zwei Zwischenstopp(s).

Öffentliche Verkehrsmittel bietet Ligne d'Azur in Nizza (Autobusse und Tram).

Envibus in Antibes

Busazur Cannes

Unter der Bezeichnung "Ticket d'Azur" wird ein Verbundticket zu Einheitspreisen auf allen Linien angeboten. Ein hilfreiches Verkehrsmittel sind die TER-Züge, die alle Küstenorte miteinander verbinden. Weitere Informationen bei der SNCF.

Die im Text erwähnten Unterkünfte: Carlton - ganzjährig geöffnet, in Cannes, ab 194 Euro;

Hotel du Cap Eden-Roc - Wiedereröffnung nach der Winterpause am 18. April 2014, ab rund 510 Euro;

Belles Rives - geschlossen Anfang Jänner bis Anfang März, auf dem Cap d'Antibes, ab 171 Euro;

Villa Belrose (Bild) - Wiedereröffnung 18. April 2014, in St.-Tropez, ab 320 Euro pro Nacht.

Alle Richtpreise pro Doppelzimmer und Nacht; weitere Unterkunftstipps und touristische Informationen unter: http://at.rendezvousenfrance.com.

Foto: Villa Belrose

Einmal abgesehen davon, dass auch Städte wie Cannes nicht mehr auf einen Christkindlmarkt verzichtet wollen, bietet die Côte d'Azur im Winter auch ein ortstypischeres Programm: So begeht Antibes den Jahreswechsel etwa mit dem traditionellen "Neujahrsbad" im Mittelmeer, in Villeneuve-Loubet wird am 26. 1. 2014 das Trüffelfestival gefeiert, Mandelieu-La Napoule zelebriert vom 4. bis zum 23. Februar sein Mimosenfest und Menton vom 15. 2. bis zum 5. 3. das Zitronenfest; Events: www.frenchriviera-tourism.com

Foto: www.tourisme-menton.fr

Jetzt steht er mit seinem Zehn-Liter-Farbeimer neben dem Bett von George Clooney. Vorher war er bei Leonardo di Caprio. Immer mit Rolle, Abstreifer und Pinsel. In weißer Malerkluft statt im eleganten Room-Service-Dress. Sein Kollege aus der Küchenkolonne klebt derweil die neue Tapete im Flur von Marlene Dietrichs Lieblingszimmer - und lässt sich von jemandem helfen, der so etwas hauptberuflich macht.

Wenn das Hotel du Cap Eden-Roc auf dem Cap d'Antibes alljährlich ab Mitte Oktober die Tore für ein gutes halbes Jahr geschlossen hat, beschäftigt Direktor Philippe Perd siebzig der rund 350 Mitarbeiter weiterhin. Kellner arbeiten plötzlich als Maler, Köche als Tapezierer - und die Gärtner sind einfach weiterhin Gärtner. Es gibt genug zu tun in so einem Haus im Schlossformat, erst recht, wenn es an der See steht und Wind und Salz und ganz nebenbei auch die Sonne dem Anwesen zusetzen. Von der Nutzung durch die Gäste, von Premierenpartys während des Filmfestivals in Cannes und allerlei anderen Edelevents im Sommer ganz zu schweigen.

Im Privatjet zum Sommer

Im Winter offen zu haben lohnt sich hier nicht - zu wenig Nachfrage für ein Hotel dieses Formats, es gibt kaum Interesse an Wintersonne in Südeuropa. Nicht bei denjenigen jedenfalls, die genügend Geld haben, dem Sommer im Privatjet hinterherzureisen.

In Saint-Tropez, zwei Autostunden weiter westlich, ist es nicht anders: Das Byblos, im Juli und August Epizentrum des Partylebens, ist bereits geschlossen, das Château de la Messardière dicht, die noble Villa Belrose ebenso. Erst im April des neuen Jahres machen sie alle wieder auf. Urlaub ist hier noch immer ein Saisongeschäft - mehr, als man ahnen mag.

Früher war das genauso - nur exakt anders herum: Luxushotels entlang der Französischen Riviera waren nur während des Winters geöffnet und blieben im Sommer geschlossen. Kaum einer der Reisenden von einst konnte sich vorstellen, den Sommer am Mittelmeer zu verbringen. Zwischen Mai und September schickte es sich für die feine Gesellschaft nicht, in den Süden zu fahren. Weil es zu heiß war, zu sonnig, man sogar Gefahr lief, ganz aus Versehen braun zu werden. Und weil nichts los war an dieser Côte - kein Adel, keine Stars, keine Reichen, keine Literaten, nur ein paar Kunstmaler und Leute aus der Region. Alle, die sich die Winteraufenthalte leisten konnten, waren längst zurück in Sankt Petersburg und Berlin, in London und Manchester, in Wien oder gar drüben in Amerika.

Mitte des 19. Jahrhunderts begann der Tourismus, sich zu entwickeln. Die Erfindung der Eisenbahn, die Schaffung erster Strecken zwischen den Metropolen, das war es, was das unbeschwerte Reisen erst möglich machte - und Südfrankreich auf die Landkarte derer hob, die das Geld hatten, zum Spaß wegzufahren. Sie taten es mit Vorliebe dann, wenn zu Hause das Wetter schlecht war. Erste Grandhotels im Süden entstanden - zuerst noch nicht am Meer, sondern an den Bergen des Hinterlands, denn auf den Blick kam es an, der Strand selbst war unwichtig. Viele davon, oft in den Hügeln von Cannes gelegen, sind über die Zeit in herrschaftliche Privathäuser verwandelt worden.

Für ausgebrannte Autoren

Das Hotel du Cap, wo gerade das Lieblingszimmer von Mister Clooney aus Amerika gestrichen wird, nahm den umgekehrten Weg. Es wurde 1870 zunächst als Villa des Figaro-Verlegers Auguste de Villemessant erbaut, der es einige Jahre lang fast mäzenatisch als eine Art Kurhaus für ausgebrannte Redakteure und Autoren genutzt hat, ehe es zum Hotel wurde. Von der Wintersaison 1889 an trafen sich britische Lords zum Kartenspiel unterm Kronleuchter und zu Gin-Abenden an der Bar, russische Adelige hielten Hof, flanierten winters im Park, und schnell war vergessen, dass in der ersten Saison alle anderen Zimmer mangels Nachfrage leerstanden. Das hat sich zügig geändert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es derart en vogue, den Winter an der Côte zu verbringen, dass der russische Großfürst Michail, ein ins Exil verstoßenes Mitglied der Romanow-Familie, sich an der Finanzierung eines Hotelneubaus beteiligte: nun direkt an der Küste, nur durch den Boulevard de la Croisette von Strand und Meer getrennt. 1911 wurde die erste Hälfte des Carlton-Hotels in Cannes eröffnet, bereits 1913 kam wegen des großen Erfolges die von vornherein geplante zweite Gebäudehälfte hinzu, und das Hotel mit den zwei Türmchen an jedem Ende bekam sein heutiges Gesicht. Es mussten siebzehn weitere Jahre vergehen, bis es erstmals 1930 im Sommer eröffnet wurde - und auch das nur aus einer gewissen Notsituation heraus.

Bis dato arbeitete das Personal im Winter in Cannes, um nach der saisonalen Schließung den Sommer über in den Badeorten Cabourg in der Normandie und Dinard in der Bretagne Zimmer zu reinigen und Liegestühle zurechtzurücken. Nachdem es dort aber 1930 über Wochen anhaltend und ungekannt heftig regnete, hakte man die Saison in Nordfrankreich kurzerhand ab, schloss Ende Juli die Häuser, versetzte das Personal vorzeitig zurück und buchte all jene Gäste um, die das wollten: Am 5. August öffnete das Carlton erstmals im Sommer. Es war ein Riesenerfolg, der für die ganze Riviera die Umkehrung der bisherigen Verhältnisse mit sich brachte.

Zum Ganzjahresziel wurde die Côte deshalb trotzdem nicht. Eher war nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten, dass die Riviera als Winterziel galt. Seitdem kommen die Menschen vor allem im Sommer. Und seitdem hat sich schleichend der Name gewandelt. Was vorher die Französische Riviera war, ist nun im Allgemeinen die Côte d'Azur.

Miles Davis im Leopardenlook

Der Großvater von Marianne Estène-Chauvin gehörte nicht zu den Allerersten, die im Sommer Gäste empfingen - doch ab 1945 stand sein Portal auch zwischen April und Oktober offen. Sie hat die Bilder noch genau vor Augen, die sich ihr als Kind boten: von Miles Davis in Leopardenlook-Badehose zum Beispiel. Sie lächelt bei dem Gedanken daran, hat damals auch Josephine Baker und Ella Fitzgerald kennengelernt.

Heute führt sie in vierter Generation das im Art-déco-Stil gehaltene Fünfsternehotel Belles Rives, eröffnet 1929, auf dem westlichen Ansatz des Cap d'Antibes. Was sich geändert hat? "Eigentlich nichts", sagt sie. "Nichts, was das Wetter oder die Landschaft angeht. Die Luft ist wie eh und je, das Licht so besonders wie immer. Geändert hat sich nur die Einstellung der Menschen, ihre Vorlieben haben sich gedreht." Und noch etwas ist anders: "Es sind mehr geworden, viel mehr, die sich das Reisen leisten können."

Für alle Hoteliers entlang dieser Küste rechnet sich eher der Sommer als der Winter, für manche nur lohnt es sich, gar nicht zu schließen. Das Belles Rives etwa boomt um Weihnachten und Silvester, unmittelbar anschließend ist die Nachfrage flau. Marianne Estène-Chauvin schließt ihr Haus deshalb kurz im Jänner und Februar, atmet selbst durch, schickt das Personal in den Jahresurlaub - bis auf den Haustechniker und die Leute in der Reservierung.

Seit Hitchcock immer offen

Im Carlton gibt es derweil keine Ruhephase mehr. Das Hotel ist als Herz des alljährlichen Filmfestivals von Cannes wie auch als Drehort für Hitchcocks Über den Dächern von Nizza berühmt geworden. Längst ist es das Wahrzeichen der Stadt und bleibt ganzjährig geöffnet. Manchmal schaut sogar der aktuelle Besitzer vorbei: ein Geschäftsmann aus Katar.

Und im Hotel du Cap Eden-Roc, das seit 1969 der Familie Oetker gehört? Dort malen und zimmern sie. Ab 900 Euro kostet ein Zimmer zur höchsten Hochsaison. Pro Nacht. Doch auf einmal wird klarer, warum man in einem solchen Schloss derartige Preise verlangt: weil es alljährlich nur sechs Monate in Betrieb ist. Weil siebzig der 350 Mitarbeiter dennoch rund ums Jahr beschäftigt werden. Und weil es auch zwischen November und März viel zu tun gibt.

Und Frau Estène-Chauvin? Hat sie als Einheimische eine Lieblingszeit? Wann ist es an der Riviera am schönsten? Sie überlegt nur kurz, spricht leise, als verrate sie ein Geheimnis: "Im Mai ist das Festival in Cannes, im Juni haben wir viel Geschäft aus der Region. Aber Anfang Juli gibt es jedes Jahr eine kurze Phase, bevor es richtig heftig wird. Es ist heiß, aber nicht zu heiß. Es ist Sommer, aber es ist noch nicht voll an der Küste. Es ist die Zeit für Glücksgefühle." Es gebe ähnlich schöne Phasen im Jänner und Februar: "Die plötzlichen Frühlingstage im Winter! Wenn es ein paar Mal hintereinander bereits zwanzig Grad hat - das sind großartige Momente. Aber sie sind nicht planbar." Es sind die Tage, derentwegen der Winter einst die Hochsaison war. (Helge Sobik, DER STANDARD, Album, 21.12.2013)