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Das Geld muss unter die Leute, und die Schulden müssen weniger werden.

Foto: APA/Barabara Gindl

Die Euro-Notenbanker streiten wieder um des Kaisers Bart: Den Leitzinssatz nochmals senken? Das Geldhorten wie in Dänemark durch einen negativen Einlagesatz "bestrafen"? Für die Konjunktur ist beides einerlei: Beim Zinssatz hat die EZB ihr Pulver schon verschossen. Je näher sie der Nullzinsschranke kommt, desto geringer ist ihr Einfluss auf die Realwirtschaft. Abgesehen davon haben die schrittweisen Senkungen seit Ende 2011 zwar die Finanzierungskosten der "Kernländer" reduziert, an die Unternehmen in den Krisenländern wurden sie aber nicht weitergegeben. Deren Kreditkosten sind wegen hoher Risikoaufschläge und unterkapitalisierter Banken nach wie vor zu hoch. Eine Reduktion des Einlagesatzes auf unter null ist auch keine Lösung: Die Krisenbanken würden noch mehr Staatsanleihen kaufen, statt zusätzliche Kredite zu vergeben.

Eine effektive geldpolitische Maßnahme müsste aber den Krisenländern zugutekommen, ohne den Kernländern zu schaden. Dies ist umso mehr an der Zeit, als die gemeinsame Geldpolitik mitverantwortlich für die Misere am Rande Europas ist.

Wie könnte diese Maßnahme aussehen? Ein Blick auf die Wertentwicklung des Euro: Seit Einführung 1999 legte er gegenüber dem Dollar um rund 25 Prozent an Wert zu. Verantwortlich dafür war nicht nur die lockere US-Zinspolitik, sondern auch die Expansion der deutschen Exportwirtschaft. Sie profitierte enorm vom Boom in China (Maschinen, Autos) und den Erdöl exportierenden Ländern. Gut für die Kernländer, schlecht für die Randländer, die schlicht keine High-End-Technologie-Lieferanten waren (und sind).

Den Krisenländern würde eine Währungsabwertung den Anpassungsprozess enorm erleichtern und helfen, den Kreislauf aus Lohnsenkungen, Nachfrageentfall und steigender Arbeitslosigkeit zu unterbrechen. In Deutschland würde sie Raum für mehr Lohn- und Preisauftrieb schaffen und damit zum Ausgleich vergangener Divergenzen beitragen. Die EZB könnte ihre anachronistische Inflationsobergrenze aussetzen und sich ein Vorbild an der Schweizer Nationalbank nehmen, indem sie sich ein Wechselkursziel setzt. Die Zentralbanken der Schweiz (2011) und Japans (2012/13) veranlassten mit ihrer Politik Abwertungen von 15 bis 25 Prozent ihrer Währungen. Für den Euro würde das einer Zielmarke von 1,1 bis 1,2 Dollar je Euro entsprechen.

Das weltwirtschaftliche Umfeld erweist sich für ein solches Ziel als günstig. Angesichts der Deflationstendenzen in einigen Euroländern ist das Inflationsrisiko beherrschbar. Von einer Teuerung wären insbesondere die Treibstoffe betroffen, die über den Rohölpreis an den Dollar gekoppelt sind. Die aktuelle Konjunkturschwäche der Schwellenländer nimmt aber den Druck von den Rohstoffpreisen und dämpft daher den Benzinpreiseffekt. Eine etwas höhere Inflation würde den Abbau der Haushalts- und Unternehmerschulden erleichtern, die in vielen Ländern anhaltend hoch sind und Konsum sowie Investitionen belasten. Drittens tendiert die Stimmung an den Finanzmärkten seit Monaten dahin, dass die US-Geldpolitik gestrafft wird. Eine Lockerung im Euroraum würde dieser Marktstimmung entsprechen und wäre daher leichter umzusetzen.

Ein geringerer Eurokurs würde andere große Wirtschaftsräume nicht maßgeblich beeinträchtigen: Die Konjunkturbelebung in den USA gründet sich auf die Binnennachfrage. Den USA wird es recht sein, falls neben China auch die EZB ein paar Dollaranleihen kauft. Für Japan, das stark in die südostasiatische Produktionskette integriert ist, wäre eine Euroabwertung realwirtschaftlich ebenso nachrangig wie die Yen-Abwertung für den Euroraum. Die Zeichen in China stehen auf Stärkung des privaten Konsums. Eine neue Qualität im Lebensstandard soll erreicht werden, wenn nötig über einen stärkeren Yuan.

Die EZB sollte die Gunst der Stunde nutzen und eine Abwertung des Euro anstreben, um die damit verbundenen Vorteile für alle Euroländer auszuschöpfen. (Stefan Schiman, DER STANDARD, 20.12.2013)