Wien – Singleparty, Christmas-Date oder organisierter Spieleabend – längst müssen Alleinstehende am Weihnachtsabend nicht mehr traurig allein zu Hause bleiben. Findige Firmen helfen. Oder man geht einfach in eines der mittlerweile zahlreichen Lokale, die am 24. Dezember geöffnet haben. Weihnachten, das Fest der Familie, als Krisenfall für Alleinstehende: Das war einmal.
Außerdem ist Single nicht gleich Single: "Es gibt welche, die über ein gutes soziales Netz verfügen. Und dann jene, die hier Probleme haben", sagt Lebens- und Sozialberaterin Beate Janota. Letzteren rät sie, am 24. Dezember auszugehen: "Wer nicht allein sein kann, sollte entsprechende Angebote in Anspruch nehmen." Andere könnten diese Tage beispielsweise für eine "ruhige Wellnesszeit nützen". Die Wiener Psychologin Beate Handler empfiehlt "unfreiwilligen" Singles, "rechtzeitig Weihnachten zu planen und nicht einfach auf sich zukommen zu lassen". Sie sollten "eher auf Ablenkung setzen, Angebote gibt es ja genug".
Den Tag sozusagen zu ignorieren bringe nichts, denn es bleibe eine gewisse Traurigkeit. Warum Weihnachten heikel sein kann? Ein Erklärungsansatz ist: Familienorientierte Tage wie eben Weihnachten oder Silvester erinnern Menschen besonders an ihren Singlestatus. Die Wissenschaft nennt so etwas einen Trigger. Psychologin Handler: "In unseren Breiten gilt es immer noch als Fest der Familie." Das könne bei unfreiwilligen Singles zu Krisensituationen führen, weil der Wunsch nach einem Partner, einer Partnerin verstärkt werde.
Idealisierung der Kernfamilie
Der Druck auf Singles sei heute jedenfalls geringer geworden, findet Sozialberaterin Janota, weil "die Formen des Zusammenlebens viel bunter als früher sind". Dennoch wird an den alten Konstellationen weiter festgehalten: "Es gibt immer noch eine Hierarchisierung im Familienbereich mit der Kernfamilie weit oben angesiedelt. Dass viele diese dann nicht leben können oder wollen, ist ein ganz anderes Thema", sagt Ulrike Zartler, Soziologin an der Universität Wien. Es sei evident, dass es "in der Gesellschaft eine Idealisierung der Kernfamilie gibt und Singles diesem Bild nicht entsprechen. Damit müssen einerseits sie selbst umgehen können, andererseits auch das soziale Umfeld. Heute ist es zwar normativ akzeptiert, allein beziehungsweise ohne Partner oder Partnerin zu leben, da gibt es schon ein Umdenken. Allerdings: Das Idealbild bleibt weiterhin bestehen." Genaue Zahlen, wie viele Alleinstehende es in Österreich gibt, fehlen. Eine Umfrage im Auftrag der Singlebörse Parship.at hat vor rund einem Jahr erhoben, dass 32 Prozent der Bevölkerung im Alter von 18 bis 69 Jahren damals nicht in einer Beziehung gelebt haben.
Endgültig zerstritten
Eine Spezialistin für Singles ist auch Katharina Braun. Als Anwältin berät sie nicht nur in Scheidungsfragen, sie bietet in einer Art Netzwerk mit Therapeuten eine Rundumversorgung (auch) von Neo-Singles an. Mandanten, die über ihr Leben ohne Partner oder Partnerin klagen, verweist sie an spezialisierte Anbieter. Grundsätzlich sei Weihnachten für Familienanwälte "Hochsaison", sagt sie. Viele Paare würden sich in diesen Tagen "endgültig zerstreiten, weil familiäre Streitereien eskalieren: seien es Enttäuschungen wegen eines misslungenen Festes oder die nervige Schwiegermutter". Braun erinnert sich auch noch an eines ihrer ersten Projekte: eine Weihnachts-Scheidungshotline: "Mich haben die Leute überrannt." Auch heuer wird sie ihr Büro über die Feiertage offen halten. (Peter Mayr, derStandard.at, 18.12.2013)