Bild nicht mehr verfügbar.

Michael Spindelegger hat in seinem beruflichen Leben noch nie eine Bilanz ernsthaft angeschaut.

Foto: APA/Schlager

Die mächtigste Position in der österreichischen  Bundesregierung ist jene des Finanzministers. De facto ist er stärker als der Bundeskanzler, der ohne Richtlinienkompetenz eigentlich nur dem Ministerrat vorsitzt.

Doch seit dieser Woche wird dieses Amt von einem Mann besetzt, der zumindest von seinen Voraussetzungen her als schwächster Säckelwart in die Geschichte der Zweiten Republik eingehen könnte. Das ist das viel bedeutendere Problemfeld dieser Regierung als die eher formale Frage, ob ein Minister nur oder auch für Wissenschaft und Forschung zuständig ist.

Vom Fach etwas verstehen

Ich bin anders als etwa Peter Michael Lingens im Profil nicht der Meinung, dass nur ausgewiesene Fachleute Minister werden sollten. Politische Erfahrung ist ebenso wichtig wie Spezialwissen, wahrscheinlich sogar wichtiger. Aber sie sollten vom Fach zumindest etwas verstehen.

Die Finanzminister der vergangenen Jahre – Maria Fekter, Josef Pröll, Wilhelm Molterer, ja auch Karl-Heinz Grasser – hatten alle in früheren politischen oder politiknahen Funktionen Wirtschaftserfahrungen gesammelt.

Davor waren die Sozialdemokraten Rudolf Edlinger, Viktor Klima, Ferdinand Lacina, Franz Vranitzky und Hannes Androsch erfahrene Finanzpolitiker, Manager, Ökonomen oder Banker. Andreas Staribacher war ein echter Steuerexperte, wenn auch politisch ein Leichtgewicht.

Man muss schon zum unglücklichen Androsch-Nachfolger Herbert Salcher zurückgehen, um einen Finanzminister zu finden, der so unvorbereitet in die Himmelpfortgasse eingezogen ist wie jetzt Spindelegger.

Auch Fekter enttäuschte

Nicht alle waren gut; manche, wie Grasser, in mancher Hinsicht eine Katastrophe. Auch Fekter hat sich als Enttäuschung erwiesen. Sie trat in zu viele Fettnäpfchen und hat dem Staat durch ihre Weigerung, eine Bad Bank für die Hypo Alpe Adria zu akzeptieren, wahrscheinlich viel Geld gekostet.

Aber schwach war Fekter nicht. Und sie wusste meist, wovon sie sprach.

Michael Spindelegger ist von der Ausbildung her Jurist. Politisch hat er sich bisher vor allem mit Außenpolitik und als kurzzeitiger ÖAAB-Chef mit etwas Sozialpolitik beschäftigt. In seinem beruflichen Leben dürfte er noch nie eine Bilanz ernsthaft angeschaut haben.

Und wenn man ihn im vergangenen Wahlkampf zuhörte, etwa bei den TV-Debatten, entstand immer der Eindruck, dass er wirtschaftspolitischen Floskeln auswendig lernt, ohne die dahinter liegenden Fakten und Konzepte wirklich zu verstehen.

Er hat sich ins Finanzministerium gedrängt, um politisch sichtbarer zu werden, nicht der Sache wegen.

Ein unbedarfter Staatssekretär

Nun, für die Details hat ein Minister seine Beamten und Berater. Aber wenn Spindeleggers wichtigster Mitarbeiter, der neue Staatssekretär Jochen Danninger, genauso unbedarft agieren wird, wie er bei seinen ersten öffentlichen Stellungnahmen spricht - etwa die mickrigen Pensionsmaßnahmen im Regierungsprogramm als "große Heuler" zu bezeichnen-, dann wird er seinem Chef nicht viel helfen können. Und SP-Staatssekretärin Sonja Steßl ist nur lästige Aufpasserin.

Spindeleggers Aufgabe wird es sein, eine vernünftige Finanzpolitik öffentlich zu verkaufen und gegen Widerstände durchzuboxen.

Und auch hier gibt es Grund zur Skepsis. Die neue Regierung hat sich bis 2016 Zeit gegeben, um den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern neu zu verhandeln. Wenn man die Verwaltung reformieren und den teuren Förderalismus eindämmen will, um wirklich stabile Finanzen herzustellen, dann muss der Finanzminister in den kommenden Jahren mit den Bundesländern hart verhandeln.

Mit Pröll und Häupl an einem Tisch

Fekter wäre das vielleicht noch zuzutrauen gewesen, dass sie sich nicht von den Landeshauptleuten über den Tisch ziehen lässt. Aber Spindelegger? Wird er echtes Rückgrat zeigen, wenn ihm sein Mentor Erwin Pröll und Michael Häupl gegenübersitzen? Unvorstellbar.

Ebenso schwer ist es sich auszumalen, dass Spindelegger im Kreis seiner EU-Ministerkollegen konstruktive Debattenbeiträge zur Zukunft der Eurozone macht. Da ist von Sebastian Kurz beim Außenministerrat mehr zu erwarten.

Natürlich muss man dem ÖVP-Chef eine Chance geben, sich zu behaupten. Aber Spindelegger wird noch weit über sich hinauswachsen müssen, um in seinem neuen, viel schwierigeren Amt Erfolg zu haben.

Diese ungewisse Lernphase wird Österreich wohl nicht gut tun. (Eric Frey, derStandard.at, 18.12.2013)