Martin Holler promovierte sub auspiciis praesidentis.

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"Meinem Vater, einem Lokführer, war es immer wichtig, dass seine Söhne keine weltfremden Akademiker werden", erinnert sich Martin Holler. Eine nicht ganz unbegründete Sorge, immerhin brachte der ältere Sprössling jedes Jahr ein Vorzugszeugnis nach Hause, und mit seiner Leidenschaft für die Mathematik zeigte sich schon früh ein starker Hang zum abstrakten Denken.

Das väterliche Vorbild sorgte für ausreichende Bodenhaftung: Zur Gehirnakrobatik in den Sphären der höheren Mathematik gesellte sich die Lust am Handwerklichen, und der Bub versuchte sich sogar am Schweißen. Dass bei Holler'schen Familientreffen die Gespräche trotzdem oft in atemberaubend abstrakte Höhen hinaufwuchern, wo die Luft für Durchschnittsrechner schon viel zu dünn ist, hat mit der geballten Präsenz von hauseigenen Mathematikern zu tun: Holler selbst hat inzwischen sein Mathematikstudium abgeschlossen, sein jüngerer Bruder Gernot ist gerade auf dem Weg dazu, und die Mutter der beiden ist - Mathematiklehrerin.

Trotzdem ist sie es, die der allzu exklusiven Fachsimpelei ihrer beiden Mathematikersöhne ein Ende setzt, wenn diese selber keines finden. Immerhin konnte Holler seiner Lust am Knacken extraharter mathematischer Nüsse während des Studiums an der Uni Graz freien Lauf lassen. Das Ergebnis: eine als "sehr gut" beurteilte Doktorarbeit und vor kurzem die Promotion sub auspiciis praesidentis. Im Rahmen seiner Forschungsarbeit, mit welcher der 27-jährige gebürtige Südsteirer aus Kaindorf an der Sulm die letzte Stufe zu dieser nicht gerade häufigen Ehrung erklomm, entwickelte er eine komplexe mathematische Methode zur Lösung eines weitverbreiteten Problems: "Grundsätzlich geht es in meiner Arbeit darum, aus unvollständigen Bilddaten realistische Bilder zu rekonstruieren", erklärt Holler.

So erhält man beispielsweise bei der Dekomprimierung von JPG-Bildern häufig digitale Fotos mit einer eher schlechten Qualität. Mit Hollers neuer Methode können JPG-komprimierte Bilder rekonstruiert und verbessert - also schärfer - dargestellt werden. Auch für die medizinische Bildverarbeitung bedeutet diese Innovation einen enormen Qualitätsschub. Um sich die Rechte daran zu sichern, läuft zurzeit ein Patentverfahren.

Hollers Vater kann also aufatmen: Diese Arbeit ist nicht das Werk eines weltfremden Theoretikers, sondern eine anwendungsorientierte Entwicklung, die spür- und vor allem sichtbare Verbesserungen etwa in der Medizintechnik mit sich bringt. Finanziell ermöglicht wurde seine Forschungsarbeit übrigens vom Spezialforschungsbereich "Mathematical Optimization and Applications in Biomedical Sciences", in dessen Rahmen Holler am Mathematikinstitut der Uni Graz angestellt ist.

Seine berufliche Zukunft kann sich der begeisterte Ski- und Motorradfahrer, der neben dem Schraubenschlüssel auch gern mal den Kochlöffel schwingt, zumindest für eine gewisse Zeit auch im Ausland vorstellen: "Aber das muss mit meinem Privatleben vereinbar sein. Jedes Jahr von Uni zu Uni ziehen möchte ich nicht." Verständlich, hat doch der junge Forscher erst vor einigen Monaten geheiratet - keine Mathematikerin, sondern eine Biologin. Womit die Chancen auf thematische Ausgewogenheit beim Familienpalaver sicher gestiegen sind. (Doris Griesser, DER STANDARD, 18.12.2013)