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Sebastian Kurz: "Ich möchte die Österreicher für Außenpolitik begeistern."

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Sebastian Kurz' Nominierung zum Außenminister hat in Österreich und international für Aufsehen gesorgt. Der jüngste Außenminister in der EU will sein neues Amt angehen wie sein altes: mit viel jugendlicher Energie und wenig Beratungsresistenz. Ein "Übersetzer der österreichischen Außenpolitik" möchte er sein. Stärker annehmen möchte er sich der Entwicklungszusammenarbeit, bisher kein "Ruhmesblatt", und der Menschenrechte. Dass die Integration nun in seinem Ressort angesiedelt ist, sieht er als Vorteil.

derStandard.at: Viel wurde in den ersten Tagen nach Ihrer Nominierung über Ihr vergleichsweise jugendliches Alter und Ihren bisher nicht vorhandenen Hintergrund auf diplomatischer Ebene diskutiert. Wie lauten Ihre Argumente, wenn es um Ihre persönliche Qualifikation als Außenminister geht?

Kurz: Man muss realistisch sein. Ich bringe kaum diplomatische Erfahrung mit. Was ich mitbringe, sind zweieinhalb Jahre Regierungserfahrung in einem Thema, das durchaus ein internationales ist. In der Integration geht es um das Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, mit unterschiedlichen Religionen und auch Geisteshaltungen. Außerdem habe ich einen fachorientierten Zugang, den Wunsch, parteiübergreifend zu arbeiten und mit viel Energie ordentlich etwas weiterzubringen. Die österreichischen Diplomaten sind hervorragend. Wenn es gelingt, die Erfahrung und das Wissen, das vorhanden ist, mit dem einen oder anderen jungen und unkonventionellen Zugang zu verbinden, dann gelingt es sicher, die Aufgabe – vielleicht anders, aber gut – zu erfüllen.

derStandard.at: Apropos Diplomaten – wie schätzen Sie Ihr Backing im Ministerium ein?

Kurz: Ich bin erst seit Anfang der Woche im Amt. Aber bereits in den Tagen vor der Angelobung sind mir zahlreiche Spitzendiplomaten sehr positiv begegnet, haben mir ihre Ideen mitgeteilt und bereits begonnen, mit mir gemeinsam zu arbeiten.

derStandard.at: Planen Sie noch einen Crashkurs bei der Diplomatischen Akademie?

Kurz: Jeder Ressortleiter hat die Aufgabe, mit seinen Experten zu arbeiten und nicht zu glauben, dass er selbst immer alles am besten weiß. Das war im Fachbereich Integration so, und das wird auch im Fachbereich Außenpolitik so sein. Mein Ziel ist es, all das Wissen anzuzapfen, das da ist, und auf dieser Basis meine Entscheidungen zu treffen.

derStandard.at: Ihr Vorgänger Michael Spindelegger wurde oft als "Halbzeit-Außenminister" bezeichnet, der Außenpolitik nach Brüssel delegiert. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Österreichs Außenpolitik wieder stärker wahrgenommen wird?

Kurz: Mein junges Alter sorgt einmal grundsätzlich für großes – auch mediales – Interesse. Mir wurde bereits von verschiedenen Amtskollegen gratuliert, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rief mich an, und wir haben bereits ein Treffen vereinbart. Ich hoffe, dass ich dieses Interesse an meiner Person nutzen kann, um einerseits eine Art Übersetzer der österreichischen Außenpolitik für die Bevölkerung zu sein und andererseits inhaltliche Akzente setzen zu können. Ich möchte die Österreicher auch mehr als bisher für Außenpolitik begeistern – wir sollten mehr an Schulen gehen, die Leistungen von Auslandsösterreichern zeigen und würdigen. Man könnte das Ministerium mehr als bisher für Veranstaltungen öffnen. Es gibt viele Ideen ...

derStandard.at: Ihr Ministerium ist das Bundesministerium für Integration, europäische und auswärtige Angelegenheiten. Besteht auch bei Ihnen die Gefahr des "Halbzeit-Außenministers"?

Kurz: Ich finde, dass der Integrationsbereich gut zu diesem Ministerium passt, weil man einen Bogen spannen kann von der Integration und der Frage der Identität über Europa bis hin zur Außenpolitik. Es gab schon in den letzten Jahren viele Synergien und Schnittmengen.

derStandard.at: Ist die Anbindung der Integrationsagenda an das Außenministerium nicht ein Signal dafür, dass man "die da draußen” nicht im innenpolitischen Diskurs haben möchte?

Kurz: Wenn man etwas falsch interpretieren will, dann wird man das immer tun können. Ich finde diese Frage spannend, denn zweieinhalb Jahre lang wurde kritisiert, dass die Integration nicht ausgerechnet im Polizeiministerium sein darf. Integration muss ernst genommen werden, sie ist eine Materie, die alle Ressorts betrifft. Ich habe da eine koordinierende Aufgabe übernommen. Ich glaube, dass sehr viele Player auch bisher zufrieden waren, wie ich gearbeitet habe. Und das werde ich weiter tun. Integration passt in ein weltoffenes Ministerium wie jenes der Außenpolitik gut hinein. Da gibt es sicher viele Synergieeffekte.

derStandard.at: Wer vertritt zum Beispiel den Themenbereich Integration auf einem EU-Ministerrat: Sie oder Innenministerin Johanna Mikl-Leitner?

Kurz: Wenn es Thema bei einem Rat der Innenminister ist, nimmt natürlich die Innenministerin teil. Aber Integration war immer schon Querschnittsmaterie. Und vergessen Sie nicht: Die Integration ist durch die neue Ressortverteilung auch aufgewertet worden.

derStandard.at: Kennen Sie schon Ihr Budget?

Kurz: Die Budgetverhandlungen mit den einzelnen Ressorts stehen noch aus. Der Konsolidierungsbedarf wird aber alle Ressorts treffen.

derStandard.at: Im Regierungsprogramm steht ein "Stufenplan zur Erreichung der EZA-Mittel in Höhe von 0,7 Prozent" der Wirtschaftsleistung. Das wurde bisher nie auch nur annähernd erreicht. Aktuell stehen wir bei nicht einmal der Hälfte. Wieso sollten ausgerechnet Sie dieses Ziel erreichen?

Kurz: Ich bin froh, dass dieses Ziel noch einmal definiert wurde. Die Entwicklungszusammenarbeit war bisher wirklich kein Ruhmesblatt für Österreich. Es wird zwar sehr viel privat investiert und gespendet, aber was staatliche Mittel betrifft, liegen wir noch immer sehr weit weg vom Ziel, das eindeutig eine Gesamtaufgabe der Bundesregierung, nicht nur des Außenministeriums, ist. Ich werde mich aber als Außenminister besonders dafür starkmachen, damit hier ordentliche Arbeit geleistet wird. Viele Flüchtlingstragödien, viele Massenwanderbewegungen passieren aufgrund mangelnder Entwicklungszusammenarbeit.

derStandard.at: Auch in Sachen Türkei gibt es im Regierungspapier keinerlei neuen Ansatz: "Maßgeschneiderte Partnerschaft", aber kein Beitritt und allenfalls Volksabstimmung. Gibt es da keine neue Perspektive, keinen neuen Ansatz?

Kurz: Die Türkei ist für uns ein wichtiger Partner. Wir sollten zuerst diese Möglichkeiten der Partnerschaft – wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich – nutzen. Die Frage eines Beitritts stellt sich meiner Meinung nach im Moment nicht. Leider gibt es in der Bevölkerung oft im Zusammenhang mit dem Wort "Türkei" ein Zusammenzucken. Wir müssen allen klarmachen, dass die Türkei auch Bereiche hat, die boomen, wo es Wachstum gibt. Und wir müssen auch die Zu- und Abwanderungszahlen beobachten. Es gibt – zumindest für Deutschland – den Trend zu beobachten, dass es mehr Abwanderung in die Türkei als umgekehrt gibt. In Österreich ist es noch nicht so weit, aber die Quote ist auch hier schon sehr, sehr niedrig. Man braucht also nicht zusammenzuzucken.

derStandard.at: Welche Akzente wollen Sie regionalpolitisch und sicherheitspolitisch – zwei gute Traditionen österreichischer Außenpolitik – setzen?

Kurz: Zum einen möchte ich bei bewährten Schwerpunkten bleiben, zum Beispiel wollen wir auf dem Westbalkan sehr aktiv bleiben. Dort haben wir nach wie vor einen guten Namen, und viele Österreicher haben auch dort ihre Wurzeln. Dann müssen wir Nischen suchen, denn wir sind keine Supermacht. Ich möchte zum Beispiel die Menschenrechtspolitik wieder intensivieren, das interessiert mich auch persönlich.

derStandard.at: Stichwort Golan: Gibt es da eine Neubewertung, oder ist diese UN-Mission ein für alle Mal Geschichte für uns?

Kurz: Diese Entscheidung wurde getroffen und ausgeführt. Ich freue mich aber, dass es im Regierungsprogramm weiterhin ein Commitment gibt. Wir werden weiterhin unseren Beitrag bei friedenserhaltenden Maßnahmen leisten. Es wird auch ein Mindestkontingent von 1.100 Friedenssoldaten geben, und ich werde mit dem Verteidigungsminister in dieser Sache koordiniert vorgehen.

derStandard.at: In Südtirol gibt es im Zuge der italienischen Wirtschaftskrise Befürchtungen, die Autonomie könnte in Gefahr sein. Nun ist Österreich ja Schutzmacht für die deutschsprachigen Südtiroler ...

Kurz: Diese Sorge ist an mich noch nicht herangetragen worden, aber ich werde mich damit natürlich auseinandersetzen.

derStandard.at: Wird sich durch den Generationswechsel in der Südtiroler Landesregierung – Arno Kompatscher folgt Anfang Jänner auf Luis Durnwalder als Landeshauptmann – etwas an Inhalt und Stil der bilateralen Zusammenarbeit ändern?

Kurz: Ich kenne beide bereits aus meiner Funktion als Integrationsstaatssekretär. Es gibt starke Beziehungen zwischen uns, und auch zum Tiroler Landeshauptmann. Es gab immer einen guten Draht zwischen Wien und Bozen, und das wird auch jetzt so bleiben. Ich werde natürlich auch mit dem neuen Landeshauptmann Kompatscher rasch Kontakt aufnehmen.

derStandard.at: Wohin wird Ihre erste Reise gehen?

Kurz: Nach Kroatien. Ich möchte gern zuallererst das jüngste Mitglied der Europäischen Union besuchen. Österreich hat die Kroaten auf ihrem Weg in die EU stets begleitet. Ich möchte den Umstand würdigen, dass es einen sehr regen Austausch zwischen unseren beiden Ländern gibt, und ein Signal Richtung Westbalkan setzen. Wir sind ja schließlich fast direkte Nachbarn. (Gianluca Wallisch, Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at/DER STANDARD, 17.12.2013)