Der öffentliche Druck auf die NSA aufgrund den Enthüllungen von Edward Snowden ist auch in den USA gestiegen. Der Geheimdienst hat nun dem TV-Sender CBS Zutritt in sein Hauptquartier gewährt und äußert sich erstmals zu den Leaks.
Die Dokumentarsendung "60 Minutes" konnte sich in den Hallen der NSA umsehen und auch mit Mitarbeitern sprechen, die sich bislang noch nie öffentlich geäußert haben.
"Wir sammeln nicht jedermanns E-Mails"
"Fakt ist, wir sammeln nicht jedermanns E-Mails, wir sammeln nicht jedermanns Telefondaten. Wir sind ein Auslandsgeheimdienst und gut darin", sagt Keith Alexander einleitend. Er leitet als Vier-Sterne-General die Geschicke der NSA und des US Cyber Commands.
Ebenso, betont er, würde die NSA nur Telefongespräche amerikanischer Bürger gezielt überwachen, wenn es aufgrund von Verdachts einen entsprechenden Gerichtsbeschluss gibt. Der Kreis an betroffenen Personen soll weltweit derzeit weniger als 60 Menschen umfassen. Allerdings: Zur Überwachung von Ausländern benötigt die NSA keine gerichtliche Genehmigung.
Alexander ist der Überzeugung, die NSA hätte ihre Mission in der Öffentlichkeit nicht klar genug dargelegt. Er betont, man wolle die USA vor Terrorattacken schützen sowie Bürgerrechte und Privatsphäre verteidigen. "Es gibt keinen Grund, warum wir die Telefonanrufe von Amerikanern abhören oder ihre E-Mails lesen sollten. Dort finden sich keine geheimdienstlich wertvollen Informationen."
Call Chaining
Was die NSA aber sehr wohl abgreift, sind Telefonie-Metadaten aller US-Bürger. Diese Daten zeigen, welche Nummer wann und wie oft eine andere Nummer angerufen hat. Alexander sieht dies als am wenigsten intrusive Option um festzustellen, wann ein Staatsfeind sich im Land aufhält und möglicherweise etwas plant.
Zum Einsatz kommt dabei eine Technik namens "Call Chaining". Dabei wird ersichtlich, mit welchen Kontakten eine verdächtige Person besonders häufig kommuniziert hat und wer wiederum mit diesen in Zusammenhang steht. Auf diese Weise werden Netzwerke erarbeitet, um lohnenswerte Ziele für gezieltere Überwachung zu finden.
Metadaten für fünf Jahre gespeichert
Taucht ein verdächtiger Kontakt in den USA auf, kann die NSA auch hier nach einem Gerichtsbeschluss Überwachung einleiten. Zur Recherche steht eine Datenbank zur Verfügung, die Metadaten zu allen in den Vereinigten Staaten getätigten Anrufen der letzten fünf Jahre enthält.
Die NSA sieht dabei laut Alexander weder den Namen des Teilnehmers, noch hört man Anrufe mit. "Alles was wir machen können ist es, dem FBI zu sagen: 'Diese Nummer spricht mit jemandem, der sehr böse ist, ihr solltet euch das ansehen.'"
NSA drohen Einschränkungen
Vorstöße von Datenschützern könnten der NSA ihre Arbeit künftig stark erschweren. Derzeit kann die NSA Anruf-Metadaten ohne wirkliche Hürden absammeln. Gefordert wird, dass die NSA in Zukunft für jeden Telefon-Datensatz einen eigenen Gerichtsbeschluss erwirken muss und die Datensätze bei den jeweiligen Telekom-Providern verbleiben. Ein Bestreben, das von Alexander strikt abgelehnt wird.
Die Rechte in ihrem aktuellen Umfang konnte sich die NSA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sichern. Alexander ist der Ansicht, dass diese damals vielleicht hätten verhindert werden können, hätte die NSA schon Zugriff auf die Anruf-Metadaten gehabt. Denn einer der beiden Flugzeugentführer soll seinen Plan von Kalifornien aus erarbeitet und koordiniert haben.
Schlüssel zum Königreich
Es heißt, Snowden hätte insgesamt 1,7 Millionen Dokumente gesichert, eine Zahl, die von Rick Ledgett – der die Snowden-Taskforce des Geheimdienstes leitet – auch nicht abgestritten wird. Snowden hat, so Ledgett, seine weit greifenden Rechte als Systemadministrator genutzt, um Informationen von Servern und internen Webseiten der NSA automatisiert zu sammeln und herunterzuladen.
Ledgett fürchtet um die nationale Sicherheit, denn über Snowdens Dokumente soll sich auch ermitteln lassen, welche Geheimdienstkapazitäten die USA hat und wo Lücken bestehen. "Das sind die Schlüssel zu unserem Königreich", sagt Ledgett. Sie würden es anderen Regierungen, wie jener von China oder dem Iran, erleichtern, ihre Geheimnisse vor den US-Geheimdiensten in Sicherheit zu bringen.
Alexander gegen Amnestie für Snowden
Geteilter Meinung sind Ledgett und Alexander darüber, ob man mit Snowden einen Deal eingehen sollte. Der Whistleblower hat bereits ausgesagt, dass er bei einer Amnestierung zurückkehren würde. Ledget könnte sich dies vorstellen, wenn gewährleistet wird, dass der Rest der Daten in seinem Besitz sichergestellt werden kann.
Anders sieht das der NSA-Chef. "Das ist analog zu einem Geiselnehmer, der 50 Leute in seine Gewalt bringt, zehn erschießt und dann sagt, er würde die anderen 40 gehen lassen, wenn er volle Amnestie bekommt", erklärt er. "Ich denke Leute müssen für ihre Taten verantwortlich gehalten werden." Er fürchtet, dass sich derartige Leaks wiederholen könnten, wenn man Snowden ungestraft davon kommen lässt. Er selbst habe nach Snowdens Flucht ins Ausland seinen Rücktritt angeboten, sagt Alexander. Das Verteidigungsministerium jedoch soll diesen abgelehnt habe.
Alle Computer, auf welche Snowden Zugriff hatte, wurden nach Aufkommen der Leaks aus den internen Netzwerken genommen, da man befürchtet hat, Snowden könnte eine Hintertür geöffnet oder einen Virus eingespielt haben. Ebenfalls entfernt wurden die Kabel, mit welchen die Rechner angeschlossen waren. Die Kosten sollen im zweistelligen Millionenbereich liegen.
NSA soll Großangriff auf Computer vereitelt haben
Eine große Abteilung in der NSA nimmt sich des Themas Cyberbedrohungen an. Gemeinsam mit Computerherstellern konnte man laut Sicherheitsexpertin Debora Plunkett einen Großangriff auf Cs weltweit verhindern. Eine ausländische Regierung soll an einer Malware gearbeitet haben, um – getarnt als Software-Update – das BIOS von unzähligen Rechnern zu zerstören.
Geheimdienst sucht junge Genies
Die NSA beschäftigt rund 3.000 junge Analysten, die damit beauftragt sind, Probleme zu lösen und Codes zu knacken. Für die wenigen neuen, offenen Stellen, die man im Jahr bietet, sollen sich jeden Sommer etwa 10.000 Highschool-Schüler bewerben. Diese erhalten vollen Zugriff auf aktuelle Problemfälle.
Nicht selten werden auf diesem Wege schließlich Fälle gelöst, an denen die eigenen Mitarbeiter zuvor gescheitert sind. Wer auf diesem Wege einen neuen Zugang einbringen kann, hat Chancen, später einmal bei der NSA zu landen.
Weisungsempfänger
Zum Zugriff auf die Kommunikation von Usern von Google oder Yahoo gibt sich Keith Alexander verschlossen. Er geht zwar nicht darauf ein, wie es dem Geheimdienst gelungen ist, hier mitzuhören, erklärt aber, man müsse "die Kommunikation von Terroristen überwachen, egal wo sie stattfindet."
Wellen geschlagen hatte auch die Enthüllung, dass die NSA Telefongespräche der deutschen Bundeskanzlerin Merkel mitgehört haben soll. Hier sieht sich die NSA als reinen Auftragsempfänger. Wer überwacht werden soll, legt man laut Alexander nicht selbst fest, sondern erhält Weisungen – etwa aus dem Außenministerium. (red, derStandard.at, 16.12.2013)