Lassen Sie uns doch erst einmal regieren, beharren Kanzler und Vizekanzler auf eine Gnadenfrist, die sie längst überzogen haben. Aber natürlich: Lasst sie regieren. Es lässt sich ohnedies nicht mehr verhindern. Die Gelegenheit dazu ist bereits vorbei. Aber die beiden Parteichefs seien daran erinnert, dass sie bei der vergangenen Wahl gemeinsam neun Mandate verloren haben und nur noch auf 51 Prozent der Stimmen kommen - oder kamen.

Dennoch agieren sie, als ob es ihr erklärtes Ziel wäre, die Abwärtsspirale weiterzudrehen und die Zeiten, in denen die beiden größten Parteien noch zu zweit eine Koalitionsregierung bilden konnten, endgültig hinter sich zu bringen. Sie drehen gerade die Ehrenrunde und vermitteln den Eindruck, als ob es ihnen nur um die Macht und ihre Positionen geht, egal was hinter ihnen nachkommt.

Werner Faymann und Michael Spindelegger sind die Totengräber der großen Koalition.

Die Visionslosigkeit, der fehlende Mut und das trotzige Verharren in einem Zustand der kreativen Reglosigkeit wurden in den vergangenen Tagen schon vielfach beklagt, insbesondere in den Parteien selbst. Die angestrengte Kleingeistigkeit sorgt vor allem auch bei den eigenen Leuten für Entsetzen: Wie kann man nur tatenlos zuschauen, wie alles den Bach runtergeht? Ist es tatsächlich das Ziel von Faymann und Spindelegger, ihre Parteien unter die 20-Prozent-Marke zu drücken und den Weg freizumachen für den Kanzler einer Rechtsaußen-Partei?

Die Art und Weise, wie Faymann und Spindelegger ihren routinierten Pragmatismus, ihre Kapitulation vor Kraft und Wollen nach außen tragen, treibt ihre Sympathisanten in die politische Isolation und den Großteil der Bürger in den politikfreien Raum, wo sie möglichst wenig vom Wirken der Politiker an der Spitze des Staates mitbekommen wollen, weil sie eh schon so angezipft sind.

Dass Kanzler und Vizekanzler ob dieser öffentlichen Meinung selbst angezipft sind und die veröffentlichte Meinung für die schlechte Stimmung verantwortlich machen, ist typisch: Sie sind vakuumverpackt ohne Selbstreflexion, keimfrei in einer Kunstwelt der nickenden Sekretäre und Berater. Besonders der Kanzler kann schlecht mit Kritik umgehen, wie er unlängst auch in einer Zeit im Bild demonstrierte. Faymann wurde politisch sozialisiert in einem Umfeld, wo es guter Brauch und Sitte war, sich die Meinungsbildner am Boulevard einzukaufen und die anderen am besten zu ignorieren.

Bei Spindelegger ist das ein wenig anders, er kennt Kritik, er ist Obmann der ÖVP, wo die Selbstzerfleischung Teil der Folklore ist. Ihm setzen derzeit die Landesparteien zu, und wer genau hinhört, dem wird das leise Sägen am Sessel, das bereits eingesetzt hat, nicht entgangen sein. Dabei ist es absurd und ungerecht, Spindelegger ausgerechnet dafür abstrafen zu wollen, wo er Mut und Kreativität gezeigt hat, nämlich bei seinem Personalpaket, das zumindest originell ist, um das einmal ganz wertfrei zu sagen. (Michael Völker, DER STANDARD, 16.12.2013)