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Reinhold Mitterlehner, Wissenschaftsminister

Foto: APA/Hochmuth

Ich war vor kurzem zu Besuch im Weizmann-Institut in Israel. Das wissenschaftliche Zentrum in Rehovot, einer Stadt südlich von Tel Aviv, ist eine der Hochburgen für Grundlagenforschung in der Welt und kann es bei einem Bruchteil der Finanzmittel mit den ganz großen amerikanischen Universitäten aufnehmen.

Die rund 1000 Forscher, die dort arbeiten, stehen unter keinerlei Druck, praktisch verwertbare Ergebnisse zu liefern. Sie sollen bloß in den Bereichen Physik, Chemie, Biologie und Mathematik/Computerwissenschaften die Grenzen des Wissens immer weiter hinausschieben.  Und das tun sie Tag für Tag.

Ihr Erfolg lässt sich an der Zahl der Nobelpreise für jetzige oder früher Institutsmitarbeiter messen aber auch daran, dass das Weizmann-Institut bei der Vergabe der begehrten ERC-Forschungsstipendien des Europäischen Forschungsrats ganz oben steht. (Israel ist assoziiertes Mitglied der EU-Forschungspolitik und hat diesen Status trotz Differenzen zur Siedlungspolitik zuletzt behalten).

Motor des israelischen Wirtschaftswunders

Aber das Institut ist, so wie auch das Technion in Haifa, ein entscheidender Faktor für das israelische Wirtschaftswunder, das in den vergangenen Jahren hunderte weltweit erfolgreiche High-Tech-Unternehmen hervorgebracht hat. Davon profitiert man auch selbst: Ein guter Teil des Jahresbudgets stammt aus Einnahmen aus Patenten und Lizenzen, die auf Forschungsergebnissen aus dem Haus beruhen.

Der frischgebackene Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner wäre gut beraten, schon bald dem Weizmann-Institut einen Besuch abzustatten, so wie es sein Vorgänger Karlheinz Töchterle getan hat. Er könnte dort sehen, dass Grundlagenforschung kein Beiwerk, sondern der stärkste Motor im internationalen Standortwettbewerb ist. Das ist kein Wunder in einer Zeit, in der wirtschaftlicher Erfolg so eng mit der Wissensgesellschaft verknüpft ist.

Mitterlehner könnte dort vor allem Argumente für die derzeit nur von wenigen geteilte These sammeln, dass Wissenschaft und Wirtschaft sehr wohl in ein Ressort passen. Aber das wird ihm nur gelingen, wenn sein Ministerium vom kurzfristigen Denken der angewandten Forschung, wie sie in Österreich so gerne betrieben wird, wegkommt und sich auf die großen, aber auch unberechenbaren,  Langfristchancen der Grundlagenforschung einlässt.

Besuch in Maria Gugging

Und wenn eine Israel-Reise vorerst nicht in seinen Terminkalender passt, dann kann er das vorerst einmal das IST Austria in Maria Gugging besuchen, das nach den gleichen Prinzipien wie das Weizmann-Institut arbeitet und auch deshalb gute Aussichten hat, über akademische Spitzenforschung viel zur technologischen Innovation in Österreich beizutragen.

Ich traue Mitterlehner zu, dass er das begreift, und stehe deshalb der Zusammenlegung der beiden Ministerien weitaus weniger skeptisch gegenüber als die Spitzen der Universitäten und auch meine journalistischen Kolleginnen und Kollegen.

Sicher, symbolisch ist es ein problematischer Schritt. Aber wichtiger als die Symbolik ist die tatsächliche Politik, und da waren Mitterlehners Vorgänger als Wissenschaftsminister (Karlheinz Töchterle, Beatrix Karl, Johannes Hahn) nur mäßig erfolgreich.

Mitterlehner hat im Kabinett mehr Einfluss als sie; wenn er sich für eine bessere Dotierung der Forschung und der Lehre stark macht, dann wird das möglicherweise mehr Wirkung zeigen.  

Auch die Geisteswissenschaften wirken

Aber Mitterlehner darf sich dabei nicht auf die Naturwissenschaften beschränken, deren ökonomisches Potenzial relativ leicht erfassbar ist. Er muss auch verstehen, dass der Erfolg einer Gesellschaft – politisch, wirtschaftlich, kulturell und sozial – mit dem Niveau ihrer intellektuellen Debatten zusammenhängt, weshalb man genauso auch florierende Sozial- und Geisteswissenschaften braucht. Große Universitäten wie Harvard oder Oxford werden auch durch ihre Denker und Theoretiker so bedeutend, und ebenso die Staaten, in denen sie sich befinden.

Und da die neue Ministeriumskonstellation ja wegen ihrer Symbolik so heftig angegriffen wird, könnte Mitterlehner ebenfalls mit Symbolik darauf reagieren. Er sollte das neue Ressort „Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft“ (BMWFW) nennen – und nicht umgekehrt.

Vom Stubenring auf den Minoritenplatz

Und er sollte sein Hauptbüro vom Stubenring auf den Minoritenplatz, wo das Wissenschaftsministerium sitzt, verlegen. Da wäre er auch näher zum Kanzleramt und Parlament. (Eric Frey, derStandard.at, 14.12.2013)