Der Aufstieg Brandstetters an die Spitze des Justizministeriums könnte die Diskussion um das Weisungsrecht neu entfachen

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Fast die ganze Kollegenschaft streut dem neuen Minister Rosen. Die Persönlichkeit Wolfgang Brandstetter wird in höchsten Justiz- wie auch universitären Kreisen als seriös, äußerst kompetent und ausgleichend hoch gelobt.

Die Majorität sieht auch kaum ein Problem, dass der angesehene Strafrechtsexperte Brandstetter in den letzten Jahren in so ziemlich allen brisanten Korruptionsfällen der Republik - von der Bawag, Hypo Alpe Adria bis zur Telekom - als Strafverteidiger fungiert hatte. In heiklen Fällen könne er sich ja für befangen erklären und die Causa den Beamten überlassen, heißt es. Wesentlich kritischer sieht es Verfassungsexperte Heinz Mayer. Brandstetter sei als Minister "Letztverantwortlicher und da ist die Optik einfach nicht gut". Mayer im Gespräch mit dem STANDARD: "Er war und ist in so vielen Korruptionsfällen als Verteidiger tätig und er weiß mehr als die Staatsanwaltschaft. Und er weiß, dass er als Minister davon nicht Gebrauch machen darf. Da kann es natürlich zu Interessenskonflikten kommen." Es sei auch nicht abwägbar, inwieweit er "unbewusst" sein Wissen bei Entscheidungen nutze.

Vertrauensperson Kulterers

Brandstetter, der die Bawag im Prozess gegen Ex-Generaldirektor Helmut Elsner vertrat, kam im Juni 2007 erstmals näher mit der Politik in Kontakt. Er erschien im parlamentarischen Banken-Untersuchungsausschuss als "Vertrauensperson" von Ex-Hypo Alpe Adria-Boss Wolfgang Kulterer, der im Mai 2012 wegen Untreue zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Auch im Libro-, im Bawag-, im Kaprun- oder im Wiener Baukartellprozess war Brandstetter als Verteidiger prominent tätig.

Zuletzt vertrat er SPÖ-Chef und Bundeskanzler Kanzler Werner Faymanns bei den Ermittlungen in der "Inseratenaffäre" - durchaus mit Erfolg. Es ging um den Verdacht der Untreue im Zusammenhang mit Inseraten in Faymanns Zeit als Infrastrukturminister. Das Verfahren wurde eingestellt.

In der Causa Hypo Alpe Adria verteidigte der neue Minister Tilo Berlin, in der ebenfalls gerichtlich abgehandelten Telekom-Affäre stand er Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer bei, für den er nach einem Teilgeständnis einen Freispruch erkämpfte.

Aliyev bei Brandstetter gemeldet

Ein pikantes Detail der Telekom-Causa: Fischer schwärzte vor Gericht einige ÖVP-Politiker an, darunter den neuen ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka. Es ging um den Vorwurf, Lopatka habe 2008 den Jugendwahlkampf der ÖVP mit Telekom-Gelder finanziert, was Lopatka zurückweist, er sei zu diesem Zeitpunkt nicht führend in der ÖVP tätig gewesen, Fischer müsse sich im Datum geirrt haben. Fischers Aussagen führten jedenfalls zu Ermittlungen gegen die ÖVP als Partei, im Visier ist auch Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer. All diese Fälle mit ÖVP-Nähe muss Brandstetter managen, wie auch jenen des Ex-ÖVP-Politikers Harald Himmer, gegen den im Zusammenhang mit der "Blaulichtfunk"-Causa ermittelt wird. Ex-ÖVP-Abgeordnete Karin Hakl "hängt" wiederum noch in der Telekom-Affäre drinnen.

Spindelegger sieht jedenfalls  keinen Anlass zur Besorgnis. Brandstetter würde nie eine Weisung geben: "Jeder hat eine Vergangenheit. Sonst müssten wir lauter Retortenminister finden." Auch Faymann billigt dem neuen Minister die nötige Integrität für seine Aufgabe zu.

Brandstetter muss als Justizminister aber nicht nur diese sensiblen Causen, sondern auch den besonders heiklen Fall des ehemaligen kasachischen Botschafters Rakhat Aliyevs, gegen den die österreichische Justiz wegen des Verdachts des Mordes und der Geldwäsche ermittelt, bewerten. Was den Fall besonders kritisch macht: Brandstetter verteidigte Aliyev. Der Ex-Botschafter war sogar kurzfristig im Privathaus des Neo-Ministers gemeldet, wie das Magazin "Datum" berichtete und Heinz Mayer in einem Gutachten festgehalten hatte.

"Das war schon sehr auffällig, dass Aliyev in Wien um Aufenthaltserlaubnis angesucht hat, diese nicht bekommen hat und sich dann im Heimatort an der Adresse Brandstetter angemeldet hat. Und dort binnen zwei Tagen eine Aufenthaltsberechtigung erhalten hat. Ein Schnellverfahren", sagt Mayer.

Die Engagements des neuen Ministers in großen Justizfällen, entfacht jedenfalls die Debatte um das politische Weisungsrecht, das Richter und Staatsanwälte schon lange abgeschafft wissen wollen. (Walter Müller, DER STANDARD, 14.12.2013)