Univ.-Prof. Wolfgang Brandstetter hat einen Ruf als korrekter, fachlich versierter und besonnener Hochschullehrer für Strafrecht (Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der WU). Er ist auch seit 20 Jahren als Verteidiger im Wirtschaftsstrafrecht tätig. Als solcher vertrat bzw. vertritt er prominente Manager in einigen der aufsehenerregendsten Affären im Dunstkreis "Politik und Wirtschaft" der letzten Jahre.

Brandstetter kann selbstverständlich verteidigen, wen er will. Aber die Frage ist, ob jemand, der als Verteidiger in einem Großteil der größten Polit-/Wirtschaftsaffären engagiert war, Justizminister werden sollte. Brandstetters prominente Klienten:

Karl Petrikovics, Exchef der Immofinanz, vor einigen Monaten (nicht rechtskräftig) wegen Untreue verurteilt;

Reinhard Platzer, Exvorstandschef der notverstaatlichten Kommunalkredit-Bank, unter Anklage wegen Untreue;

Rudolf Fischer, Exvorstandsmitglied der Telekom Austria, nach einem Teilgeständnis freigesprochen;

Werner Faymann, Bundeskanzler, Ermittlung wegen "Inseratenaffäre" (eingestellt).

Rachat Alijew, ehemaliger Vizegeheimchef und Botschafter von Kasachstan in Österreich, in seinem Heimatland wegen Mordes verurteilt, unbekannten Aufenthalts. Die Familie Alijews ist am Projekt "Media Quarter" der Stadt Wien beteiligt. Die Staatsanwaltschaft Wien erwägt Anklageerhebung wegen Mord und Geldwäsche.

In einer Stellungnahme sagt Brandstetter: "Bis auf Platzer sind alle genannten Mandate z. T. schon seit langem nicht mehr aufrecht. Mandat Platzer werde ich unverzüglich abgeben, dasselbe gilt für einige wenige noch offene Mandate, die nicht bekannt sind."

So weit, so selbstverständlich. Der parteilose Brandstetter wurde offensichtlich ausgewählt, weil er schon seit Jahrzehnten aus gemeinsamen Unizeiten mit Michael Spindelegger gut bekannt ist. Das darf auch kein Ausschließungsgrund sein, aber die Nähe zu zelebrierten Causen ist einfach unbehaglich groß: Im Fall der Hypo Alpe Adria war er einer der (vielen) Gutachter in der Frage, ob die Kärntner Landesholding an den Wirtschaftsprüfer Birnbacher ein (total überhöhtes) Honorar hätte auszahlen dürfen. Brandstetter empfahl "dringend" die Beiziehung weiterer Gutachter.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen die ÖVP und deren Funktionäre Molterer und Lopatka wegen Geldwäsche - basierend auf Angaben von Brandstetters Exklient Rudolf Fischer. Eine offene Causa - ebenso wie die Anklage oder Nichtanklage gegen Brandstetters Exklienten Alijew. Für den setzte sich Anwalt Brandstetter 2011 in einer Pressekonferenz mit den Worten ein, es handle sich um "eine rücksichtslose Hetzkampagne der kasachischen Seite". Im Zuge des Tauziehens mit den kasachischen Behörden meldete Brandstetter 2007 Alijew an seinem Wohnsitz in Eggenburg (NÖ) an. Alles legal, aber bei einem Justizminister schaut es komisch aus.

Samstagvormittag veranstaltet Bundespräsident Heinz Fischer ein "Hearing" mit den neuen Ministern, auch mit Brandstetter. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 14.12.2013)