Die Orte Gföhl und Seitenstetten, beide in der schönen Heimat Erwin Prölls gelegen, haben es in den letzten Tagen in Zusammenhang mit der Würdigung journalistischer Arbeit zu einiger Berühmtheit gebracht. Nun wissen Journalisten, dass sie in Österreich auf der beruflichen Beliebtheitsskala ganz weit unten stehen, womöglich noch unter den Politikern und ganz weit unter den Lehrern, aber sie wissen sich gewöhnlich auch in dieses Los zu schicken, nicht zuletzt in dem bei manchen von ihnen vorhandenen kritischen Selbstbewusstsein, dass es keinen Stand trifft, der an seinem Ruf gänzlich unschuldig wäre.

Diesen Ruf zu befestigen, rückten also zwei ÖVP-Mandatare aus, einer Bürgermeister in Gföhl, der andere Gemeinderat und Lehrer am Stiftsgymnasium Seitenstetten, wobei es interessant war zu beobachten, dass zwar beide in ihrer Beurteilung journalistischer Leistungen auf ein Bewertungssystem zurückgriffen, das auf den pädagogischen Idealen des Dritten Reichs basiert, der Bürgermeister sich dem Lehrer in der Auswahl seiner Lehrmittel aber als klar überlegen erwies. So sagte er: "Die Journalisten hängen sich an etwas auf, das bereits wieder ganz anders ist. Die zitieren aus dem Duden."

Dafür, dass Journalisten sich an etwas aufhängen, "das bereits wieder ganz anders ist", lassen sich täglich viele Beispiele finden, weniger häufig hingegen dürfte vorkommen, dass sie aus dem Duden zitieren. Diese Vermutung erwachte im Gföhler Bürgermeister erst, als er sich auf die Suche nach einem Reim machte, der zu dem passen sollte, was andere Mitglieder des hochlöblichen Gemeinderates zuvor aus seinem Munde vernommen haben wollten, nämlich: "Mir gehen die Scheiß-Asylanten sowieso am Oarsch, aber Schuld sind die Pressefritzen. Die gehören aufgehängt, de san wia de Juden."

Der "Falter", der ihn dafür zum "Dolm der Woche" adelte, konnte nur noch voll Bewunderung feststellen, "in einer derart kurzen Aussage gleich drei Personengruppen zu beleidigen, das muss einem einmal gelingen". Eine umso beachtlichere Leistung, als es ja geistesgegenwärtig galt, vor dem hohen Gemeinderat jene Wörterbücher auszusondern, die sich eventuell auf Oarsch oder Pressefritzen reimen könnten. Der wörterbuchgelehrte Bürgermeister zog aus dem Vorfall die österreichische Konsequenz, mit Jahresende zurückzutreten, weil er da ohnehin in Pension gegangen wäre.

Sein Vorschlag, "die Pressefritzen" aufzuhängen, weil sie "wia de Juden" seien, ließ in dem Geschichtelehrer am Seitenstettener Stiftsgymnasium eine historische Saite anklingen, nachdem er die Titelgeschichte zweier Journalistinnen im "Profil" über "die Lehrer und ihre Gewerkschafter" gelesen hatte. Obwohl sie ihm offensichtlich "am Oarsch" ging, ging er nicht so weit, die Kolleginnen gleich aufhängen zu wollen - er gab sich, die Würde des Stiftsgymnasiums im Hinterkopf, brieflich zurückhaltend. "Sie gehören ja aus dem Verkehr gezogen und sterilisiert, damit sich so etwas nicht auch noch weitervermehrt. Ihre Redaktion gehört angezündet und eingeäschert und das Hetzblatt ,profil' verboten!"

Solche Vorschläge zur Reinigung des heimischen Pressewesens könnten die Frage aufwerfen, wie dieser Pädagoge mit Neigung zu Pyromanie und fächerübergreifenden körperlichen Eingriffen seinen Geschichtsunterricht gestaltet. Da ihm der Gföhler Ausweg in die Pension offenbar noch versperrt ist und nicht jeder Historiker Reime auf Sterilisieren oder Einäschern aus dem Ärmel beutelt, besann er sich auf eine andere Methode zur Erklärung seiner Motive. "Was ich da schrieb, tut mir unendlich leid, es widerspricht diametral meinem Weltbild", und: "Es ist mir nach der Lektüre des Profil-Textes eine Sicherung durchgebrannt. Mein Brief war eine Ausgeburt aus Sturheit, Dummheit und Trotz."

"Seit Jahren in den Zeitungen" lesen zu müssen, "dass Lehrer nur faul, mit Standesdünkel behaftet und Reformverweigerer sind", habe ihn persönlich verletzt. Da weckte der "Profil"-Text, der solche Verallgemeinerungen nicht enthielt, den Sterilisierer im Pädagogen. Nicht auszudenken, wie es zuginge, verfügten Politiker nicht über eine größere Frustrationstoleranz als Lehrer.

Dass er seinen Brief "persönlich an die Damen adressierte, das entschuldigt nichts". Umso weniger, als Inhalte, die dem Weltbild des Äußerers diametral widersprechen, an Wirtshaustischen ganz spontan fallen - aber auch am Schreibtisch eines Lehrers?  (Günter Traxler, DER STANDARD, 14./15.12.2013)