"Wissenschaft muss von kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen unabhängig sein. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie ihre Funktion in der Gesellschaft erfüllt": Badelt.

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In der neuen Bundesregierung wird es keinen Wissenschaftsminister mehr geben - Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wird die Wissenschafts-Agenden mitbetreuen. Universitätsrektoren kritisieren das scharf. Auch der Rektor der Wirtschaftsuniversität Christoph Badelt hält das für ein "katastrophales Zeichen" - die Unis dürften keinesfalls zum "Anhängsel der Wirtschaft" werden, sagt er im Gespräch mit Maria Sterkl.

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derStandard.at: Verstehen Sie, warum die Wissenschaft dem Wirtschaftsminister zugeordnet wird?

Christoph Badelt: Ich halte die Auflösung des Wissenschaftsministeriums für ein katastrophales Zeichen. Von der Symbolik her ist es schlimm, die Wissenschaft irgendwo dazuzuschieben. Ich muss aber wohl zur Kenntnis nehmen, dass das jetzt so passiert – ich glaube nicht, dass wir mit unseren Protesten die Beschlüsse der ÖVP oder der Koalition abändern können.

derStandard.at: Stört es Sie nur, dass die Wissenschaft einem anderen Ressort untergeordnet wird, oder wäre eine Eingliederung ins Unterrichtsministerium akzeptabel?

Badelt: Sicher, die Zusammenlegung Wissenschaft mit Bildung kann Sinn machen, das hat es ja auch schon gegeben. Man könnte aber auch alle Forschungsagenden in einem Ressort poolen. Sachlich gesehen hätte es jedenfalls andere Lösungen gegeben.

derStandard.at: Ist das Wirtschaftsministerium die schlechteste aller Lösungen?

Badelt: Von der Symbolik her ist das sicher kein gutes Zeichen, das sage ich auch als Rektor der Wirtschaftsuniversität. Es wird nun in der Hand des Ministers liegen, diese Symbolik zu entkräften. Das halte ich nicht für völlig ausgeschlossen. Denn wir haben ja in den Unis immer darunter gelitten, dass die Unis in den wirklichen Machtzentren dieser Republik kein Thema waren. Die Wirtschaft war immer ein Thema. Man könnte jetzt also sagen, die Unis rücken jetzt in ein Machtzentrum der Gesellschaft ein – und es wird total darauf ankommen, was der neue Minister daraus machen wird. Ob er seine Kraft in den Dienst der Unis stellt oder ob er die Unis zum Anhängsel der Wirtschaft macht.

derStandard.at: Sie sprechen von den Unis im Allgemeinen. Es wäre aber denkbar, dass der Minster bestimmte Fachrichtungen für wirtschaftstauglicher hält als andere: ergo mehr Geld für BWL, weniger für Publizistik. Was sagt der WU-Rektor dazu?

Badelt: Wenn man die Wissenschaft der Wirtschaft völlig unterordnet, dann wäre das die Katastrophe zum Quadrat. Sie erinnern sich, als der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser einmal abfällig über irgendwelche Orchideenfächer sprach, wo es dann um die Islamwissenschaft gegangen ist, und ein halbes Jahr später hat man das bitter bereut. Wissenschaft muss von kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen unabhängig sein. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie ihre Funktion in der Gesellschaft erfüllt.

derStandard.at: Bedauern Sie, dass Karlheinz Töchterle nicht mehr Wissenschaftsminister ist?

Badelt: Ich glaube, dass er seinen Job im Großen und Ganzen gut gemacht hat. Aber worum es jetzt geht, ist wirklich die Frage, ob es überhaupt einen Wissenschftsminister gibt. Dieser Problematik müssen wir uns stellen. (Maria Sterkl, derStandard.at, 13.12.2013)