Seit Monaten wird spekuliert, ob Spindelegger Finanzminister wird, vor Bekanntgabe befragte der ÖVP-Chef seine Gremien.

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STANDARD: Noch nicht einmal zur Angelobung geschritten, hat diese Regierung schon einen äußerst schlechten Ruf - zu Recht?

Filzmaier: Das liegt vor allem daran, dass sich die Koalition mehr einem Verwaltungsprogramm als einem Zukunftsprogramm verschrieben hat. Bei den Verhandlungen ging man zum Teil recht fatalistisch vor: Die SPÖ wünschte sich Vermögenssteuern, die ÖVP war dagegen - also kommen keine. Die ÖVP drängte auf eine Automatik zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters, die SPÖ stemmte sich dagegen - also kommt auch das nicht.

STANDARD: Obwohl als Koalition für große Reformen ausgerufen, gaben bei den Verhandlungen Landeshauptleute die Ergebnisse vor: Bis zuletzt mussten SPÖ und ÖVP die nötigen Millionen für eine höhere Familienbeihilfe zusammenkratzen. Lässt sich so neu regieren?

Filzmaier: Eben nicht. Nehmen wir auch das Beispiel höhere Tabaksteuer: Mit zusätzlichem Geld versuchen Rot und Schwarz Budgetlöcher zu stopfen, anstatt gesundheitspolitisch langfristige Maßnahmen zu ersinnen, damit so wenige Leute wie möglich rauchen.

STANDARD: Wichtige Anliegen wie Steuerreform oder Ausbau der Demokratie werden in Kommissionen ausgelagert - ist das sinnvoll?

Filzmaier: Der Vorwurf, den sich SPÖ und ÖVP gefallen lassen müssen, ist, dass sie 2011 und 2012, in den Jahren, in denen keine einzige Wahl stattfand, das Zeitfenster nicht für große Reformen genutzt haben. Dass man in zweieinhalb Monaten keine großen Lösungen, etwa für die Verwaltung, findet, ist kein Wunder. Bis jetzt hat die Koalition für Versäumnisse stets die große Krise als Ausrede genommen - dass man sich allem voran darum kümmert.

STANDARD: Nun schlägt der Koalition bei Einschnitten wütender Protest entgegen - von Beamten und Bauern, Pädagogen und Postlern. Müssen Werner Faymann und Michael Spindelegger künftig mehr Geschlossenheit demonstrieren?

Filzmaier: Ja, schon aus rein strategischen Gründen, denn durch Einzelprofilierungsversuche nehmen sich SPÖ und ÖVP schon lange keine Wähler mehr weg. Die Verärgerten wandern zur Opposition oder zu den Nichtwählern. Und noch etwas steht fest: Auch parteiintern werden die Proteste der Gewerkschaft gegen die Privatisierungen oder die von Bünden gegen Kürzungen nicht abreißen. Deshalb müssen sich Faymann und Spindelegger vor allem auch in ihren eigenen Parteien als Reformer profilieren.

STANDARD: Wie denn?

Filzmaier: Was budgetär so gut wie nichts kostet, aber ein glaubhaftes Signal für langfristigen Reformwillen wäre, ist eine Demokratiereform. Damit erfolgreiche Volksbegehren nicht mehr versanden und die Opposition mehr Rechte - Stichwort U-Ausschuss - bekommt.

STANDARD: Falls das nicht zustande kommt: Ist Rot-Schwarz endgültig dem Untergang geweiht?

Filzmaier: Als sicher gilt, dass Rot-Schwarz vor der nächsten Wahl nur als eine von vielen Koalitionsvarianten gilt, die sich ausgehen könnte. Aber da meine ich: willkommen in der politischen Normalität!

STANDARD: Dem Vernehmen nach drückte sich Spindelegger bis zuletzt um das Finanzressort. Macht das einen starken Eindruck?

Filzmaier: Nein. Die Debatte darüber, ob er dieses Amt übernimmt, ist seit eineinhalb Jahren, seit dem Forum Alpbach, verunglückt - obwohl es inhaltlich wie strategisch völlig logisch ist, dass der ÖVP-Chef den Finanzminister beansprucht, weil der ja wegen der Budgetkompetenz mächtiger sein kann als der Kanzler. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 13.12.2013)