Es muss nicht immer Einheitsbrei sein. Honda ergänzt das Civic-Angebot nach längerer Pause wieder einmal um einen Kombi, der klassenuntypisch extravagant wirkt

Noch in den frühen 1990er-Jahren sah es ganz so aus, als würde die geballte Macht der jungen japanischen Automobilindustrie den Rest der Welt in Grund und Boden fahren. Toyota, Honda, Nissan, Mitsubishi, Suzuki, Subaru, sie alle feierten Verkaufserfolge, eroberten Marktanteile, dass europäischen und US-amerikanischen Herstellern die Luft wegblieb.

Foto: honda

Allein, wie sagte schon Gottfried Benn? Das Glück gleicht dem Balle, es steigt zum Falle. Die Japan-AG ging nach dieser euphorischen Phase fast pleite, etliche Firmen verloren ihre Unabhängigkeit. Den einstigen Stellenwert konnten sie zwar inzwischen in Nordamerika sogar noch ausbau­en, in Europa aber nie wieder erringen. Inzwischen fahren ihnen hier die Koreaner um die Ohren.

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Wir holen deshalb so weit aus, um das Phänomen Honda vor diesem Hintergrund anschaulich zu machen. In den USA ist diese ingenieursgetriebene, enorm breit aufgestellte Firma, die vom Rasenmäher über Motorräder bis zum Business-Jet alles baut, was sich mit eigenen Motoren antreiben lässt und die auch teure Zukunftsinvestitionen nicht scheut (wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellenfahrzeug FCEV), automotiv exzellent aufgestellt. Hinge­gen ist die Marke in Kontinentaleuropa weitgehend marginalisiert – 0,7 Prozent Marktanteil sind es momentan in Österreich.

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Dass den Japanern das wurscht wäre, der Eindruck drängte sich auf. Inzwischen liegen Gegenbelege vor, in Form von bereits zwei Dieselmotoren (2,2 i-DTEC mit 150 PS und, ganz neu, 1,6 i-DTEC mit 120 PS). 2015 startet ein Klein-SUV auf Jazz-Basis, die Gattung boomt richtig in Europa, und ab Jänner 2014 bedient Honda die lange vernachlässigte Kundschaft in der Golf-Klasse endlich wieder mit ei­nem Kombi (eine sonst nirgendwo auf der Welt gefragte Gattung) namens Civic Tourer.

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Mit dem besuchten wir dieser Tage Papst und Gegenpapst in Rom – und kamen so weit, wie die Schweizer Garde uns ließ. Auf das Angebot, ihre Hellebarden während der Wachtpause im Honda zu verstauen, gingen sie nicht ein, hineingepasst hätten sie aber allemal, denn diese Höhle ist tief.

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Damit sind wir beim Raumkonzept. Honda hat mit dem Jazz mehrfach bewiesen, dass man hinsichtlich Flexi- und Variabilität alle Stückerln zu spielen versteht. So auch hier. Die extra tiefe Ladekante erleichtert das Beladen, und mit 624 bis 1668 Liter Volumen übertrifft der Kofferraum das Standardmaß des VW Golf Variant (605 bis 1620 Liter) deutlich.

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Doppelbödig ist Honda obendrein, und das ist positiv zu verstehen. Dort, wo früher ein Reserverad unterkam, haben die Kons­trukteure unter der Kofferraumabdeckung eine tiefe rechteckige Mulde reingefräst, in die ebenfalls ganz schön was reingeht.

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Besagtem Golf und mehr oder weniger der gesamten Konkurrenz (Opel Astra Sports Tourer, Ford Focus Traveller, Škoda Octavia Combi, Seat Leon ST Kombi, Renault Mégane Grandtour, Toyota Auris Touring Sports, Kia cee'd sw, Hyundai i30 Kombi etc.) hat der Honda noch den stilistischen Ansatz voraus: Im Design ist der Civic Tourer alles andere als konventionell. Die Japaner setzen auf die Kraft des Andersseins und gehen damit bewusst das Risiko ein, zu polarisieren und etliche potenzielle Käufer zu verschrecken.

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Interessant klingt die Hauptzielgruppe, an die Honda sich mit dieser Einladung zum Einladen wendet: junge Familien – und ältere Herrschaften, "Downsizer" genannt, hieß es bei der Präsentation. Ob man beim Fahrwerk lieber kernig straff unterwegs ist, komfortabel oder ganz "normal", bleibt dabei jedem selbst überlassen, der das adaptive Hinterachs-Dämpfersystem ADS geordert hat.

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Motorisch erspart Honda uns die Qual der Wahl: In Österreich sind genau ein Diesel und ein Benziner erhältlich. Beides moderne Aggregate, wobei besonders der 120-PS-Diesel durch Antritt und Sparsamkeit überzeugt; hinsichtlich Akustik weniger, der leiseste aller Selbstzünder ist das nicht.

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Sonst noch was? Jede Menge aktive Assistenzsysteme (Spurhalte-, Totwinkelassistent etc.) sind neuerdings verfügbar, auch für den Fünftürer. Und wenn der Civic Tourer "in Europa für Europa"  entwickelt, designt und gebaut wurde/wird, zeigt das, wie gesagt: Honda hat doch ein Herz für uns. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 13.12.2013)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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