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Lunge mit Tuberkuloseschatten: Asylwerber Noori Z. erfuhr erst recht spät davon.

Foto: AP/Pitarakis

Wien - Über ein Monat sei Noori Z. (Name der Redaktion bekannt) in den vielfrequentierten Wiener Öffis unterwegs gewesen, nächtelang in geschlossenen Räumen mit anderen Untergebrachten in der Familienschubhaft Zinnergasse zusammen gewesen und habe Verwandte mit einem kleinen Kind besucht. Obwohl er gewusst habe, dass er an ansteckender Lungentuberkulose litt: So lautete der Vorhalt gegen einen jungen Asylwerber aus Afghanistan, der sich am Mittwoch am Landesgericht Eisenstadt verantworten musste.

Dadurch, so die Anklage, habe sich Z. vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten laut Paragraf 178 StGB schuldig gemacht. Die Verhandlung dauerte nur eine Stunde: Der junge Mann wurde - nicht rechtskräftig - freigesprochen.

Keine Untersuchung trotz Vorschrift

"Darüber bin ich froh. Hier dürfte klargestellt worden sein, dass ein Fehler der Asylbehörden nicht dem Asylwerber angelastet werden kann", kommentiert dies Flüchtlingsberaterin Judith Ruderstaller von der NGO Helping Hands. Tatsächlich ergibt sich aus dem STANDARD vorliegenden Dokumenten, dass Z. in den nämlichen fünf Wochen keiner Tuberkulose-Röntgenuntersuchung unterzogen wurde, wie sie für Asylantragsteller zwingend vorgeschrieben sind.

Mehr noch: Als Z. nach seinem Asylantrag am 23. Jänner 2012 in der Polizeiinspektion Kittsee erstbefragt worden war, hatte er erwähnt, dass er auf seinem Fluchtweg "in Athen 18 Tage im Spital verbracht" habe. Weshalb, interessierte den einvernehmenden Beamten nicht. Vielmehr ordnete die Grenzbezirkstelle Neusiedl am See tags darauf an, Z. direkt in die Familienschubhaft Zinnergasse zu bringen. Es sei "davon auszugehen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird", steht in dem betreffenden Dokument. Laut der EU-weiten Dublin II-Verordnung sei wohl Ungarn zuständig.

Später Verdacht

So kam es, dass der junge Mann, der sich als Minderjähriger ausgegeben hatte, fürs Erste nicht ins Erstaufnahmezentrum Traiskirchen kam, wo er zwangsläufig untersucht worden wäre. Sondern dass es eines Termins bei einem Linzer Experten für Altersschätzung einen Monat später bedurfte, um den trockenen Husten und die chronischen Kopfschmerzen als dringenden Tuberkuloseverdacht zu identifizieren.

Erst dann wurden Z.s Lungen in Wien durchleuchtet - und er daraufhin direkt ins Otto-Wagner-Spital eingeliefert: für fünf Wochen stationärer Therapie, mit anschließender Antibiotikakur für sechs Monate. "Die Röntgenuntersuchung in Wien war meine allererste. Weder in dem griechischen Spital, noch - bis dahin - in Österreich war eine solche durchgeführt worden", schildert Z.. Überhaupt habe er bis dahin keine Ahnung gehabt, dass er an einer gefährlichen Krankheit litt. "Im Athener Krankenhaus hieß es nur, es werde mir in ein paar Wochen sicher besser gehen."

Im Innenministerium will ein Sprecher die Zustände in Griechenland nicht kommentieren. Dass Z. aber auch in Österreich so lange durch alle Gesundheitskontrollen rutschte, sei wohl dem Umstand geschuldet, "dass es im gelinderen Mittel keine vorgeschriebenen Untersuchungen gibt". Herbert Langthaler von der Asylkoordination findet das äußerst problematisch. Immerhin sei mit Tuberkulose auf keinen Fall zu spaßen. (Irene Brickner, DER STANDARD, 12.12.2013)