Eine Begegnung der anderen Art: Werner Faymann und Michael Spindelegger, eingerahmt von den zwei Pressesprechern des Kanzleramts, treffen in der Säulenhalle des Parlaments auf eine Gruppe von Schülern. Man beäugt sich interessiert, bleibt aber auf Distanz.

Foto: Der Standard/Cremer

Koalition lagert Steuerstreit in Arbeitsgruppe aus | Streit um Privatisierung | Verwaltung gebündelt | Unternehmen werden nicht geschont | Sekt und Tabak werden teurer | Familienbeihilfe fehlt Finanzplan

Eine Begegnung der anderen Art: Werner Faymann und Michael Spindelegger, eingerahmt von den zwei Pressesprechern des Kanzleramts, treffen in der Säulenhalle des Parlaments auf eine Gruppe von Schülern. Man beäugt sich interessiert, bleibt aber auf Distanz. Foto: STANDARD/Cremer

Wien - Bis Freitag wollen SPÖ und ÖVP ihren Koalitionspakt besiegeln, um nächste Woche zur Angelobung beim Bundespräsidenten zu schreiten. Derzeit wird unter Hochdruck verhandelt: Die Spitzengruppe um Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) traf sich bereits Dienstagvormittag, um Heikles wie Privatisierungen und Personal zu beraten. Die Finanzverhandler tagten ab Mittag bis in den späten Nachmittag.

Danach gab es unterschiedliche Signale. Ein SPÖler betrachtete die Arbeit der Finanzgruppe auf Nachfrage des Standard für abgeschlossen, ein ÖVP-Vertreter widersprach. Faktum ist jedenfalls, dass es unter Federführung der Parteichefs noch einige Probleme zu klären gilt - so etwa die Frage der Steuersenkung.

Streit um Steuern

Fest steht, dass die Koalition eine Reformkommission einsetzen will. Offen ist aber, welcher Termin und welche Maßnahmen festgeschrieben werden: Abgesehen von der geplanten Einkommenssteuersenkung drängt die ÖVP auf einen Kinderfreibetrag, die SPÖ auf Vermögenssteuern zur Gegenfinanzierung. Die Sozialdemokraten fühlen sich von Berechnungen des Finanzministeriums bei den Verhandlungen bestärkt: Demnach verspreche die Millionärssteuer 1,5 Milliarden an Einnahmen, die Erbschafts- und Schenkungssteuer bis zu 300 Millionen.

Diskutiert wird auch noch das von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ausgehandelte und beworbene Wachstumspaket. Das Finanzministerium kommt auf weitaus höhere Kosten als der "Erfinder" selbst. So soll der Handwerkerbonus - ein Steueranreiz - nicht bloß vier Millionen, sondern 500 Millionen kosten. Selbst in ÖVP-Kreisen geht man davon aus, dass das Leitl-Paket vorerst unberücksichtigt bleibt. Die offizielle Formulierung: Das Wachstumspaket wird verhandelt, sobald die Konjunkturlage besser ist. Leitl selbst ist deshalb schwer verärgert. "Wir haben ein klasse Papierl, aber nicht die Kraft es umzusetzen", jammerte er bei einem Empfang der Wirtschaftskammer, stattdessen "kratzen wir wie so oft zusammen, was sich anbietet".

Weitere Ausnahmen

Der Personalstopp im öffentlichen Dienst wird zwar bis 2018 verlängert, aber anders als ursprünglich geplant nicht auf bisher verschonte Sektoren ausgeweitet - im Gegenteil: Zu Polizei, Justiz und den anderen Ausnahmen kommen nun auch die Steuerbehörden hinzu.

Offen ist auch der Bereich Förderungen, insbesondere die Kofinanzierung von EU-Fördermittel durch die Republik. Hier wollen Faymann und Spindelegger noch im Laufe des Mittwochs zu einer Lösung kommen. Zur Debatte steht auch, wie die Transparenzdatenbank, die ursprünglich der ehemalige Finanzminister Josef Pröll erfunden hatte, doch noch zu Leben erweckt werden kann.

Wie weit die Verhandler im Grunde genommen aber schon sind, zeigt sich daran, dass bereits ganz konkret an den letzten Details des Budgets für 2015 gefeilt wird. Diese Arbeiten sollten ebenfalls am Mittwoch abgeschlossen werden.

Freilich behalten sich die Parteispitzen einen Zeitpolster: Um letzte offene Details zu besprechen und Widersprüche auszuräumen, ist bis Freitagabend Zeit. Dann aber soll spätestens der Durchbruch und ein konkretes Arbeitsübereinkommen präsentiert werden.

Angst vor Privatisierungen

Noch bevor die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, laufen die Betriebsräte von Post, Telekom Austria und OMV Sturm gegen die Privatsierungspläne der Verhandler. Während die SPÖ nur eine vage Absichtsbekundung in das Regierungsabkommen schreiben will, soll die ÖVP dem Vernehmen nach auf die Festschreibung konkreter Schritte bestehen, die den Verkauf weiterer Anteile vorsehen. (Gerald John, Michael Völker, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 11.12.2013)

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Die Verstaatlichtenholding soll neu aufgestellt werden, darüber sind sich SPÖ und ÖVP weitgehend einig. Die SPÖ möchte auch den Einfluss der Industrie in der ÖIAG zurückdrängen und die Holding repolitisieren. Während es die SPÖ dabei belassen möchte, der neuen ÖIAG der Möglichkeit einzuräumen, der Regierung Vorschläge zu weiteren An- und Verkäufen zu machen, möchte die ÖVP in diesem Papier explizit das Wort "Privatisierungen" verankert haben. Die Arbeitnehmervertreter der teilstaatlichen Konzerne Post, Telekom Austria und OMV warnten am Dienstag vor weiteren Privatisierungsschritten. Dies würde tausende Arbeitsplätze vernichten und die Infrastruktur des Landes schwächen. 

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Ein neu geschaffenes Amt der Bundesregierung soll Einsparungen in der Verwaltung bringen. Dieses Amt soll die gesamte Personalsteuerung, die Lohnverrechnung, die Gebäudereinigung und die Verwaltung des Fuhrparks zentral für alle Ressorts übernehmen. In einem zweiten Schritt soll hier auch die gesamte IT für alle Ministerien und Regierungsstellen gebündelt werden. Gegenüber der jetzigen Praxis könnte das eine deutliche Einsparung bringen. Derzeit werden diese Aufgaben jeweils von den eigenen Ministerien parallel zueinander erledigt. Außerdem sollen in allen Ministerien die Ermessensausgaben gekürzt werden, was insgesamt zu einer Schwächung der einzelnen Ressorts führen würde.

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Für eine Koalition, in der sich eine Partei stets strikt gegen neue Steuern verwehrt hat, ist die Liste ziemlich lang: SPÖ und ÖVP streichen Steuervorteile, heben bestehende Abgaben an und neue ein - und so manche davon werden Unternehmer zu zahlen haben.

Noch wackelig, weil besonders umstritten: Ab der elften Überstunde eines Mitarbeiters im Monat sollen Arbeitgeber einen Euro zahlen - was die Wirtschaftsvertreter in der ÖVP, die sich eine "Entfesselung" erhofften, auf die Palme bringt. Die sozialdemokratischen Gewerkschafter fordern hingegen einen Beitrag zur "Bewusstseinsbildung" ein, wie Bernhard Achitz, leitender Sekre- tär des ÖGB, sagt: Überstunden müssten reduziert werden, um angesichts vieler Jobsuchender die Arbeit besser zu verteilen und mehr auf die Gesundheit der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Würde der Euro, wie vom ÖGB gefordert, auf alle Überstunden anfallen, brächte das über 300 Millionen, in der Light-Variante sollen es maximal 100 sein.

Andere Einschnitte sind bereits ausgemacht (der Standard berichtete), so auch bei der Gruppenbesteuerung: Die Möglichkeit, Verluste von Töchterfirmen im Ausland mit Gewinnen im Inland gegenzurechnen, solle es nur mehr im Europäischen Wirtschaftsraum und assoziierten Staaten geben. Eingeschränkt werden auch der Gewinnfreibetrag sowie die steuerliche Absetzbarkeit von teuren Dienstwägen und Managergehältern; ab 500.000 Euro im Jahr soll der bisherige Steuervorteil fallen.

Passé ist auch die steuerliche Begünstigung für "Golden Handshakes": Dadurch soll der Run in die Frühpension eingebremst werden.

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  • Schaumweinsteuer: Die heimischen Sekthersteller sind sauer: Um einen Euro je Liter und 75 Cent je Flasche soll Schaumwein nach den Plänen von SPÖ und ÖVP teurer werden. Jeder erwachsene Österreicher trinkt im Schnitt vier Flaschen Sekt im Jahr, rechnet Benedikt Zacherl vom Sektkomitee vor. Bei einem durchschnittlichen Stückpreis von 3,70 Euro ergäbe das eine Preissteigerung von rund 25 Prozent.

Für den Staat bringt das theoretisch zwar 25 bis 30 Millionen Euro Mehreinnahmen neben dem bereits bestehenden Steueraufkommen in der Höhe von 6,1 Milliarden für den alkoholischen Sprudel. Doch Zacherl glaubt nicht daran, dass damit Budgetlöcher gestopft werden können: "Mehr als die Hälfte der Einnahmen müssen wohl erst recht für die Verwaltung der neuen Abgabe aufgebracht werden, etwa durch zusätzliche Beamte und Kontrolle."

Stattdessen belaste die steuerliche Mehrbelastung die Hersteller, die beim Grundweineinkauf nun auf das billigere Ausland ausweichen könnten.

  • Tabaksteuer Geld holen sich die Koalitionäre in spe auch von den Rauchern: Zigarettenpackungspreise sollen in den nächsten drei Jahren um je 15 Cent zu erhöht werden. Gemäß Schätzungen der heimischen Tabakindustrie werden hierzulande pro Jahr 13 Milliarden Stück Zigaretten gequalmt, was rund 650 Millionen Packungen entspricht - und das betrifft wiederum etwa 23 Prozent der Österreicher, die sich laut Gesundheitsbefragung als Raucher bezeichnen. Die allein für 2014 erwarteten 80 Millionen Euro sollen allerdings nun doch nicht für Gesundheitsleistungen aufgewendet werden, verriet Hans Jörg Schelling, Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

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Es ist eine Rechnung ohne Wirt, die da einige Landeshauptleute aus der ÖVP aufgemacht haben. Die Familienbeihilfe solle nun doch erhöht werden, fordern sie mit vagem Hinweis auf eine mögliche Finanzierungsquelle: Die Regierung solle Geld verwenden, das für den Wohnbau und die Ganztagsbetreuung an den Schulen reserviert war, aber nicht gebraucht wurde.

Ein Blick in die Geldtöpfe zeigt freilich, dass die ins Auge gefassten Summen nicht ausreichen können. Über fünf Jahre gerechnet würde die Erhöhung und Reform der Familienbeihilfe in der vor der Nationalratswahl versprochenen Variante 1,2 Milliarden Euro kosten, an Extraförderung für den Wohnbau hat die Regierung hingegen nur 276 Millionen verbucht. Für die ganztägigen Schulen sind den zuständigen Gemeinden ab 2014 auch nur 160 Millionen jährlich versprochen, also 800 Millionen bis 2018. Laut Unterrichtsministerium sind von den Förderungen bis dato gerade einmal zehn Millionen liegen geblieben - etwa, weil die Gemeinden mit Investitionen gezögert hätten, bis die Finanzierung für die Folgejahre gesichert war.

"Nicht lustig" findet Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes, die Idee der Umschichtung: "Der Bund kann nicht von den Gemeinden mehr Nachmittagsbetreuung fordern, aber gleichzeitig die Förderungen kürzen."

Einwand erheben auch Elternvertreter. Eine höhere Familienbeihilfe trage nichts zur Chancengleichheit von Kindern bei, die Ganztagsschule hingegen schon, sagte Christian Morawek vom Pflichtschul-Elternverband auf Ö1: Es wäre falsch, den Ausbau zu bremsen, um Geld "mit der Gießkanne" zu verteilen. (jo, völ, nw, DER STANDARD, 11.12.2013)