Erhitzen und umrühren: Das Kochrezept für ein expandierendes Universum ist verblüffend einfach.

Foto: TU Wien

Wien - Ein Forschersteam der TU Wien hat gemeinsam mit Kollegen aus Harvard, dem MIT und Edinburgh ein "Kochrezept" entwickelt, wie gleichsam aus dem Nichts ohne einen Urknall ein Universum entstehen könnte. Die Rezeptur für einen solchen Kosmos ist verblüffend einfach: Man nehme leeren Raum, erhitze diesen und rühre um - fertig ist ein Universum, das Masse hat und expandiert. 

Der britische Physiker Steven Hawking und sein kanadischer Kollege Don Page haben schon 1983 gezeigt, dass aus leerem Raum bei einer bestimmten Temperatur spontan ein Schwarzes Loch entstehen kann. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Phasenübergang. Aus dem Alltag kennt man solche Phasenübergänge nur beim Wechsel von Aggregatzuständen, also etwa zwischen fest, flüssig und gasförmig.

Kosmos bei Zimmertemperatur

Dass sich bei einem ähnlichen Prozess aber auch ein ganzes Universum erzeugen lässt, hat nun Daniel Grumiller vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien gemeinsam mit Kollegen aus Harvard, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Universität Edinburgh errechnet. Notwendig dafür ist, dass eine kritische Temperatur erreicht wird und der Raum rotiert. Dabei ist die Temperatur proportional zur Rotationsgeschwindigkeit - je kleiner diese ist, desto geringer ist die kritischer Temperatur. "Man kann einen Wert finden, wo man das Universum selbst bei Zimmertemperatur bekommt", sagte Grumiller.

Üblicherweise ist Temperatur ein Maß für die Bewegung kleinster Teilchen in einem System. Damit - wie in der Berechnung der Physiker - der leere Raum erhitzt werden kann - bedienen sie sich eines oftmals in der Physik verwendeten Tricks: "Wir machen die Raumzeit periodisch, schließen also die Zeit zu einem Kreis", so Grumiller.

Bei ihren Berechnungen haben die Wissenschafter vorerst nur zwei Raumdimensionen berücksichtigt, also einen flachen Raum in Rotation versetzt und erhitzt. "Es gibt aber nichts, was dagegen spricht, dass es in drei Raumdimensionen genauso ist", meint Grumiller in einer Aussendung der TU.

Keine Konkurrenz zur Urknall-Theorie

Dieses Phasenübergangs-Modell ist allerdings nicht als Konkurrenz zur Urknalltheorie gedacht. "In der Kosmologie weiß man heute sehr viel über das frühe Universum - dass dieses aus dem Urknall entstanden ist, zweifeln wir nicht an", betont Grumiller. "Aber für uns ist die Frage entscheidend, welche Phasenübergänge in Raum und Zeit möglich sind und wie die mathematische Struktur der Raumzeit beschrieben werden kann."

Die Theorie ist die logische Fortsetzung der sogenannten "AdS-CFT-Korrespondenz", einer 1997 aufgestellten Vermutung, die seither die Forschung an den fundamentalen Fragen der Physik stark beeinflusst hat: Sie beschreibt einen merkwürdigen Zusammenhang zwischen Gravitationstheorien und Quantenfeldthorien – zwei Bereiche, die auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun haben müssten. In bestimmten Grenzfällen, so sagt die AdS-CFT-Korrespondenz, lassen sich Aussagen der Quantenfeldtheorie in Aussagen von Gravitationstheorien überführen und umgekehrt.

Die Quantenfeldtheorie kommt dabei immer mit einer Dimension weniger aus als die dazugehörige Gravitationstheorie – das bezeichnet man als "holographisches Prinzip". Ähnlich wie ein zweidimensionales Hologramm ein dreidimensionales Objekt darstellen kann, kann eine Quantenfeldtheorie mit zwei Raumdimensionen eine physikalische Situation in drei Raumdimensionen beschreiben.

Raumzeit mit exotischer Geometrie

Die Gravitationstheorien müssen dafür allerdings in einer Raumzeit mit einer exotischen Geometrie definiert werden - in sogenannten "Anti-de-Sitter-Räumen", deren Geometrie von der flachen Geometrie unserer Alltagserfahrung deutlich abweicht. Es wurde schon seit langem vermutet, dass es eine ähnliche Version dieses "holographischen Zusammenhangs" auch für flache Raumzeiten geben könnte, aber es mangelte bisher an konkreten Modellen, die diesen Zusammenhang belegten. Letztes Jahr wurde von Daniel Grumiller und Kollegen erstmals so ein Modell aufgestellt; der Einfachheit halber in bloß zwei Raumdimensionen. Das führte schließlich zur aktuellen Fragestellung: Dass es in den Quantenfeldtheorien einen Phasenübergang gibt, wusste man. Doch das bedeutete, dass es aus Konsistenzgründen auch auf der Gravitatations-Seite einen Phasenübergang geben muss.

"Das war zunächst ein Rätsel für uns", sagt Grumiller. "Das würde einen Phasenübergang zwischen einer leeren Raumzeit und einem expandierenden Universum bedeuten, und das erschien uns zunächst äußerst unwahrscheinlich." Die Rechenergebnisse zeigten dann aber, dass genau diesen Übergang tatsächlich gibt. "Wir beginnen erst, diese Zusammenhänge zu verstehen", meint Grumiller. Welche Erkenntnisse über unser eigenes Universum wir dadurch ableiten können, ist heute noch gar nicht absehbar. (APA/red, derStandard.at, 10.12.2013)