Rom - Nach vier Monaten wurde am 9. Dezember endlich der Generaldirektor für Pompeji ernannt: Giovanni Nistri, Generalleutnant der Carabinieri, ist der Mann der Stunde. Er soll die tote Stadt zu neuem Leben erwecken.
Seit Monaten wartete man auf die Ernennung eines Retters. Unterdessen bröckelte die berühmte archäologische Stätte weiter - der letzte Einsturz war am 1. Dezember, doch allein im November wurden fünf Einstürze mit mehr oder minder schweren Schäden an den alten Mauern verzeichnet. Heute bringen solche Einstürze keinen Minister mehr zu Fall, wie einst Sandro Bondi, der 2010 wegen des Verfalls von Pompeji seinen Hut nehmen musste. Die Zeiten haben sich geändert, in Rom regiert nun die große Koalition, die Regierung der "larghe intese", des breiten Einverständnisses, von vielen spöttisch in Regierung der "lunghe attese" , des langen Wartens, umgetauft.
Als Meister des Zauderns entpuppte sich auch Massimo Bray: Im April schlug der smarte Minister, der liebend gerne twittert, im Rahmen des Dekrets "Valore Cultura" (Kulturwert) ein Maßnahmenpaket zur Rettung Pompejis vor. Das Großprojekt, kurz GPP, sollte dank der Ernennung eines neuen Generaldirektors in die Startlöcher gehen. Es wurde auch höchste Zeit, da die EU drohte, die 2012 bereitgestellten Gelder, 105 Millionen Euro, wieder zu streichen.
Dann geschah wieder lange gar nichts. Bis das Dekret am 3. Oktober die Parlamentshürde nahm und rechtskräftig wurde. Wieder folgte Schweigen, hinter dem sich jedoch ein Machtkampf verbarg. Wem sollte man das hohe Amt des Retters anvertrauen? Giovanni Nistri, Generalleutnant der Carabinieri - die italienische Gendarmerie -, löste die Gretchenfrage. Seine Ernennung ist ein - guter - Kompromiss. Nistri ist ein Mann der Tat. Von 2007 bis 2010 leitete er erfolgreich das Kommando der italienischen Kulturschutzpolizei, mit rechtlichen Fragen kennt er sich aus wie auch mit dem seltsamen Versickern öffentlicher Gelder, ein Phänomen, das in Pompeji noch mehr Schaden als die Regenfälle verursacht hat.
An Nistris Seite wird Fabrizio Magani kämpfen, der sich vor allem aufs Management versteht. So geht nur die Wissenschaft leer aus. Mit einem Archäologen wäre die Rettungsmannschaft komplett gewesen. Doch scheint die Angst vor unlauteren Übergriffen, sprich Mafia, bei Vergabe der Sanierungsaufträge größer zu sein als die Befürchtung, man könnte eine alte Wandmalerei unfachgerecht behandeln. Hoffentlich läutet die Ernennung Nistris wirklich die Auferstehung der toten Stadt ein. Es wäre höchste Zeit. (Eva Clausen, DER STANDARD, 11.12.2013)