Brüssel/Wien - Am deutlichsten wurde der italienische Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni. Nachdem Österreich und Luxemburg beim EU-Finanzministerrat in Brüssel am Dienstag erneut "Nein" zum automatischen Informationsaustausch steuerrelevanter Daten gesagt hatten, ging er zum Angriff über. Die Blockade Wiens und Luxemburgs "kommt nur Steuersündern zugute", sagte der Italiener, "wir vergeuden hier Zeit in Europa". Kritik kam auch von Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici, der frustriert anmerkte: "So kann man doch nicht weitermachen."

Konkret blockieren Österreich und Luxemburg die überarbeitete Version der EU-Zinsrichtlinie. Die Richtlinie soll den EU-Ländern die effektive Besteuerung ihrer Bürger ermöglichen, und zwar selbst dann, wenn diese Konten im Ausland unterhalten. Zu diesem Zweck tauschen die EU-Steuerbehörden Bankdaten aus. Österreich und Luxemburg wurde eine befristete Ausnahme von diesem System gewährt - beide Länder geben keine Bankdaten weiter.

Große Schlupflöcher

Die Zinsrichtlinie aus 2003 gilt heute als veraltet. Investmentprodukte wie Lebensversicherungen sind nicht erfasst, wer sein Geld steuerschonend im Ausland parken will, kann das weiter tun. Deshalb wurde die Richtlinie 2009 überarbeitet. Während 26 EU-Länder das neue Abkommen wollen, verweigern sich Österreich und Luxemburg. Im Endeffekt geht es um die Frage, ob das Bankgeheimnis durch automatischen Datenaustausch ausgehebelt wird.

Dabei hatte Bundeskanzler Werner Faymann im Mai zugesagt, dass man bis zum Jahresende einen Kompromiss finden werde. Was also gilt nun? Im Finanzministerium in Wien wird betont, dass Österreich bereit sei, sich zu bewegen, sofern die Kommission zuerst dafür sorgt, dass für alle Länder die gleichen Spielregeln gelten. Vor allem die Schweiz müsste also selbst zum automatischen Austausch übergehen. Diese Haltung erzürnt EU-Kommissar Algirdas Semeta.

Wut der Kommission

Brüssel sieht eine Verzögerungstaktik Österreichs und Luxemburgs. Tatsächlich könnte es noch dauern, bis Bewegung in die Sache mit der Schweiz kommt. Die EU-Kommission hat zwar im Mai grünes Licht bekommen, um mit Bern ein Steuerabkommen auszuhandeln. Doch derzeit sind sich die EU und die Schweiz nicht einmal einig, über was sie verhandeln. Im Büro von Semeta heißt auf Standard-Anfrage, das Abkommen mit der Schweiz werde den automatischen Infoaustausch umfassen. In Bern sieht man das anders: Die EU-Kommission habe "gar kein Mandat, um darüber zu zu diskutieren", sagte die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor kurzem.

Unterdessen wächst der Druck auf Österreich in Sachen Datenaustausch noch auch aus einer zweiten Richtung. Wie der Standard berichtete, hat das Finanzministerium in Wien mit den USA ein Fatca-Abkommen fertigverhandelt. Der Staatsvertrag soll schon 2014 in Kraft treten und wird die Banken verpflichten, Informationen über Konten von US-Bürgern an die Steuerbehörden in Washington zu melden.

Das Verfahren ist mehrstufig, aber der Meldung entkommt niemand. Für die EU-Kommission entspricht der Fatca-Vertrag de facto einem automatischen Informationsaustausch. Österreich könne dies den USA nicht gewähren und sich dem Wunsch der EU verweigern, wird argumentiert. Eine Richtlinie über die Zusammenarbeit in Steuerfragen schreibt seit Jänner 2013 fest, dass kein EU-Mitgliedstaat den übrigen Unionsländern verwehren kann, was es Drittländern gewährt. Im Büro von Steuerkommissar Semeta hieß es am Dienstag, dass man das Abkommen Österrich/USA juristisch strikt prüfen werde. Politisch steht das Urteil aber bereits fest: "Wir würden es eigentlich nicht erwarten, dass ein EU-Land gegenüber einem Drittstaat loyaler und auch transparenter ist als gegenüber seinen EU-Partnern. Das verstößt gegen die Prinzipien von Solidarität und Kooperation", heißt es auf Standard-Anfrage im Büro Semeta. (András Szigetvari, DER STANDARD, 11.12.2013)