"Viel zu oft scheitern Verurteilungen nach Gewaltakten gegen Kinder an fehlenden Beweisen, weil es derzeit keine ausreichende Möglichkeit für eine zeitnahe Diagnostik gibt", klagt Wolfgang Novak, Kinderarzt und Leiter der Kinderschutzgruppe SMZ-Ost.

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Wien - Experten fordern die Einrichtung einer forensischen Untersuchungsstelle für Kinder, die von Missbrauch und (oder) Gewalt betroffen gewesen sein könnten. Vergleichbare Institutionen seien in vielen europäischen Städten längst Standard. "Viel zu oft scheitern Verurteilungen nach Gewaltakten gegen Kinder an fehlenden Beweisen, weil es derzeit keine ausreichende Möglichkeit für eine zeitnahe Diagnostik gibt", erklärte Wolfgang Novak, Kinderarzt und Leiter der Kinderschutzgruppe SMZ-Ost, am Dienstag.

In der geplanten forensischen Untersuchungsstelle sollen Gewaltopfer möglichst rasch nach der Tat nicht nur kurativ behandelt werden, sondern auch die Spuren der Gewalteinwirkung gerichtstauglich dokumentiert werden. Außerdem sollen im Rahmen der zeitnahen Befundung auch mögliche psychische Folgen, etwa Traumatisierungen, erfasst werden.

Strukturelle Mängel

Für Klaus Vavrik, Vorsitzender der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, beginnnt der Kinderschutz bei den Erwachsenen. Daher  sieht er eine wesentliche Aufgabe auch in der Bewusstseinsbildung: "Gesetzliche Bestimmungen müssen mit einer Bewusstseinsänderung einhergehen - vorwiegend der Erwachsenen. Immer dort, wo Kinderschutz massiv bedroht ist, im kriminellen wie im alltäglichen, erzieherischen Umfeld, hat das mit den Erwachsenen zu tun." Daher müsse besonders hier angesetzt werden, forderte Vavrik: "So lange Kinderschutz in unseren Köpfen nicht selbstverständlich ist, so lange haben Einzelmaßnahmen immer auch etwas mit Hinterherrennen zu tun, um die negativen Auswirkungen struktureller Mängel zu bekämpfen, nicht deren Ursachen."

Schwierigkeit einer "Querschnittsmaterie"

Seit zwei Jahren befasst sich eine Projektgruppe unter der Leitung von Arnold Pollak, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien im AKH, mit der Realisierung des Projekts einer solche Stelle. Trotz typischer Schwierigkeiten einer "Querschnittsmaterie" bezüglich Finanzierung und Zuständigkeiten - involviert sind mehrere Ministerien, Sozialversicherung und Krankenanstaltenverbund - könnte die forensische Untersuchungsstelle bei anhaltend gutem Willen aller Entscheidungsträger im Frühling 2014 ihren Betrieb aufnehmen.

Zersplitterte Zuständigkeiten

"Wir wollen das unbedingt durchbringen", sagt auch Susanne Greber-Platzer von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde im AKH. Warum es eine derartige Stelle in Österreich noch nicht gibt, erklärt sie durch die "zersplitterten" Zuständigkeiten. Manche Entwicklungen würden außerdem in anderen Ländern schneller erkannt, glaubt sie. Den Bedarf gibt es jedenfalls: Alleine in Wien und seinem Einzugsgebiet gebe es rund 400 Fälle pro Jahr, sagt Greber-Platzer. Ein Punkt steht im Kampf für diese neue zentrale Einrichtung immerhin schon außer Streit: der Ort. Die Untersuchungsstelle soll im AKH angesiedelt werden. (APA, red, derStandard.at, 10.12.2013)