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Arbeiter auf einem Ölfeld nahe Erbil, der Haupststadt der Autonomen Region Kurdistan.

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Der türkische Premier Tayyip Erdogan ist am Öl aus dem kurdischen Autonomiegebiet im Irak interessiert. Es verringert die Abhängigkeit der Türkei von Energie-Importen aus Russland und dem Iran.

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Quelle: APA

Es geht um Öl. Und zwar um Abbau und Verkauf eines der größten Ölvorkommen der Welt, das sich im Norden des Irak befindet – genauer gesagt in der Autonomen Region Kurdistan. Im November hat die Regierung der autonomen Kurdenregion mit der türkischen Regierung vereinbart, eine Pipeline in Betrieb zu nehmen, die Kirkuk direkt mit dem türkischen Ölhafen Ceyhan verbindet. Die Stadt Kirkuk selbst ist zwar nicht Teil der autonomen Region, gehört aber zum kurdischen Einflussgebiet.

Bis zu 300.000 Barrel Öl am Tag können so direkt aus der autonomen Kurdenregion in die Türkei fließen – im wahrsten Sinne des Wortes an der Zentralregierung in Bagdad vorbei. Gleichzeitig wurde auch der Bau einer zweiten Öl- und Gaspipeline beschlossen. Außerdem hat sich der türkische Staatskonzern Turkish Energy Company die Schürfrechte für 13 Ölfelder in der autonomen Region gesichert. Sobald die zweite Pipeline fertiggestellt ist, könnten am Tag bis zu einer Million Barrel Öl in die Türkei strömen – 2015 soll es so weit sein.

Schritt Richtung Unabhängigkeit

Bagdad ist über dieses Geschäft wenig erfreut. Ali Dhari, der Vizevorsitzende des Öl- und Gaskomitees im irakischen Parlament, sagte gegenüber der "New York Times", das Ölgeschäft der Kurdenregion sei ein Verstoß gegen die irakische Verfassung, weil es ohne Absprache mit der Zentralregierung erfolgt sei. "Das bedeutet den Diebstahl von irakischem Wohlstand. Das werden wir nicht erlauben." Noch immer gibt es kein Gesetz, das einen fixen Verteilungsschlüssel für die Einkünfte aus dem Ölverkauf festlegt. Obwohl ein solcher Mechanismus weiterhin fehlt, könnte es sein, dass die für andere Bereiche übliche Verteilung zur Anwendung kommt. Demnach würden 83 Prozent des Ölprofits nach Bagdad gehen und 17 Prozent im Autonomiegebiet verbleiben, spekuliert die "New York Times".

Der Abschluss des jüngsten Ölgeschäfts wird als weiterer Schritt in Richtung vollständiger Unabhängigkeit der Region gedeutet. Im Jahr 2005, zwei Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein, wurde der Autonomiestatus der Region Kurdistan in der neuen irakischen Verfassung festgeschrieben.

Die praktizierte Autonomie in der Region geht recht weit: Die irakischen Kurden kontrollieren ihre Grenzen selbst, haben eine eigene Armee und einen selbstständigen Nachrichtendienst. Auch die Visa-Bestimmungen unterscheiden sich von jenen im Irak. Und, was wohl entscheidend sein dürfte: Die irakischen Kurden verfolgen eine unabhängige Außenpolitik. All das sind allerdings keine von der irakischen Verfassung garantierten Rechte, sondern diese "Rechte" haben sich die Kurden genommen.

Istanbul will Bagdad besänftigen

Die Türkei versuchte die Wogen zu glätten, die das Ölgeschäft mit der kurdischen Autonomieregion in Bagdad ausgelöst hatte. Der türkische Energieminister Taner Yildiz besuchte Anfang Dezember Hussain al-Shahristani, den irakischen Vize-Premierminister für Energiefragen. Das Energieabkommen mit der autonomen Kurdenregion wieder aufzukündigen stand dabei allerdings nicht zur Debatte. Ziel der Türkei ist es, den Irak davon zu überzeugen, dass auch Bagdad von den kurdischen Ölexporten profitieren könne. Die zusätzlichen Einnahmen würden doch auch dem Zentralstaat zugutekommen.

Auch die Missstimmung in Bagdad wird das Ölgeschäft nicht mehr verhindern können. Zu groß ist das Interesse der Türkei an Alternativen zu den bisherigen Öllieferanten Russland und dem Iran. Der Energiebedarf der Türkei ist der am zweitschnellsten wachsende weltweit – größeren Energiehunger hat derzeit nur China.

Türkischer Strategiewechsel

In den vergangenen Jahren hat die Türkei selbst neue Töne in der Politik gegenüber der kurdischen Minderheit im eigenen Land angeschlagen. Die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen der kurdischen Untergrundorganisation PKK und der Türkei hatte über Jahrzehnte zehntausende Opfer gefordert. Seit mehr als einem Jahr führt nun allerdings die Regierung Erdogan Friedensgespräche mit der PKK.

Der türkische Premier Erdogan gilt mittlerweile als Verbündeter der Regierung der Autonomen Region Kurdistan und deren Präsident Massud Barzani. Im November besuchten Erdogan und Barzani gemeinsam die Stadt Diyarbakir, die inoffizielle Hauptstadt der Kurden in der Türkei. Erdogan erhofft sich von der Entspannungspolitik gegenüber den Kurden Stimmen bei den türkischen Kommunalwahlen im kommenden März. Die guten Beziehungen zum kurdischen Autonomiegebiet im Irak und dessen Präsident Barzani sollen wohl das Öl aus dem Irak schneller in Richtung Türkei fließen lassen. Wie anfangs gesagt: Es geht um Öl. (mka, derStandard.at, 9.12.2013)