Köln - Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck wird die Olympischen Winterspiele in Sotschi boykottieren. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" hat das Bundespräsidialamt der russischen Regierung bereits in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass Gauck nicht anreisen werde. Die Absage des 73-Jährigen sei eine Kritik an den "Menschenrechtsverletzungen und der Drangsalierung der Opposition" in Russland, so das Magazin.

Eine Sprecherin Gaucks bestätigte wenig später den Medienbericht. Sie wies darauf hin, dass es keine feste Regel gebe, dass Bundespräsidenten an Winterspielen teilnähmen. Auch Horst Köhler sei nicht zu den Spielen 2010 im kanadischen Vancouver gereist.

Für internationalen Unmut sorgte in den letzten Monaten unter anderem das russische Gesetz, das sogenannte "Homosexuellen-Propaganda" unter Strafe stellt. Demnach darf man sich vor Minderjährigen nicht positiv über gleichgeschlechtliche Lebensweisen äußern. Gauck hatte in der Vergangenheit wiederholt mehr Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Russland eingemahnt.

Bei den Sommerspielen und Paralympics in London war Gauck im vergangenen Jahr vor Ort gewesen. Russland hat das deutsche Staatsoberhaupt seit seinem Amtsantritt im März 2012 noch keinen offiziellen Besuch abgestattet. Die deutschen Olympia-Teilnehmer will Gauck bei ihrer Rückkehr aus Sotschi am 24. Februar in München empfangen.

Kritik aus Russland

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Parlament, Alexej Puschkow, missbilligte die Entscheidung. "Der deutsche Präsident Gauck kritisierte kein einziges Mal die Tötung von Kindern und Frauen in Pakistan und Afghanistan. Aber er verurteilt Russland so stark, dass er nicht einmal nach Sotschi reisen will", schrieb der einflussreiche Außenpolitiker bei Twitter.

Der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning begrüßte daher auch die Entscheidung: "Die Absage von Bundespräsident Gauck ist eine wunderbare Geste der Unterstützung für alle russischen Bürger, die sich für Meinungsfreiheit, Demokratie und Bürgerrechte einsetzen", sagte der Beauftragte der Bundesregierung der Deutschen Presse-Agentur. "Die Winterspiele in Sotschi waren geplant als Zarenfestspiele." Diese Rechnung gehe jedoch nicht mehr auf, betonte der FDP-Politiker. "Die Weltöffentlichkeit lässt sich von solchen Inszenierungen nicht darüber hinweg täuschen, dass Russland an anderer Stelle die Menschenrechte massiv verletzt."

Der bisherige Koordinator für die deutsch-russischen Beziehungen, Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU), sagte der dpa: "Das ist eine persönliche Entscheidung von Bundespräsident Joachim Gauck, die Respekt verdient."

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zeigte sich über die Entscheidung nicht überrascht. "Ein Besuch des Bundespräsidenten in Sotschi selbst war unseres Wissens bislang nicht geplant", hieß es in einer DOSB-Erklärung.

Merkel gegen Boykott

Im Gegensatz zu Gauck hatte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt gegen einen Boykott ausgesprochen. Wenn die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit so wie bei Olympischen Spielen auf Russland gerichtet sei, könne das mehr bewirken als ein Boykott, begründete sie ihre Entscheidung. Ob und wie Merkel das Sportereignis besuchen wird, bleibt zunächst offen. Es gebe derzeit noch keine Planungen zu einer möglichen Reise der Kanzlerin, sagte eine Regierungssprecherin. (red/SID/APA, derStandard.at, 8.12.2013)