Wenn sich die SPÖ und die ÖVP doch noch zu einer Regierung zusammenquälen sollten, wird das dann wohl nicht mehr fünf Jahre halten. Die beiden Parteien haben sich wirklich ernsthaft auseinanderentwickelt, sowohl was das Atmosphärische betrifft als auch das Weltanschaulich-Sachliche.

Die SPÖ will um keinen Preis Reformen, die auf eine Verkleinerung des Staatseinflusses hinauslaufen. Ob es jetzt darum geht, zu teure und für bestimmte Gruppen allzu vorteilhafte Pensionsregelungen zurückzufahren oder um Privatisierungen oder um Eigentumssteuern - der Staatsanteil soll nicht kleiner werden. Die SPÖ geht davon aus, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung bzw. ihrer Klientel auf Dauer staatlich alimentiert werden muss.

Die ÖVP ist zwar ebenfalls stark staatsgläubig, steht aber unter dem Druck, etwas für die obere Mittelschicht (gehobene Angestellte plus KMUs) zu tun, die unter dem (teilberechtigten) Gefühl leidet, überproportional belastet zu werden.

Das ist der Hintergrund aller Auseinandersetzungen über tatsächliche oder nicht existierende Budgetlöcher. Wobei allerdings in den Genen der Linken (SPÖ plus Großteil der Grünen) die Überzeugung steckt, dass das Geld für die Alimentierung schon von irgendwo herkommen werde - sei es durch Schuldenmachen oder durch Eigentumssteuern für die etwas Bessergestellten.

In den Genen der traditionellen Konservativen hingegen steckt eine vage Idee von Sparsamkeit als absolute Tugend und der "Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes" - und der Wunsch, Geld vom (ihrer Meinung nach exzessiven) Alimentierungsstaat in den produktiven Sektor umzuschichten.

Beide leiden massiv unter Verlustängsten. Die SPÖ hat hunderttausende kleine Leute an die FPÖ verloren, weil sie ihnen nicht mehr billige Wohnungen und gute Jobs im öffentlichen Sektor bieten kann; und weil die kleinen Leute glauben, dass das alles jetzt "die Ausländer" bekommen.

Die ÖVP hat längst einen Teil ihres abstiegsbedrohten Mittelstands an die FP verloren und zuletzt Teile des moderner denkenden, jüngeren Bürgertums an die Neos. Noch mehr Überläufer - etwa aus dem Wirtschaftsbund - hält sie nicht aus.

Ernst wird es für Michael Spindelegger persönlich, wenn er jetzt der SPÖ doch in Kernfragen nachgibt oder die Verhandlungen scheitern lässt. Die Krone pusht schon den Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der eine Koalition mit den Grünen und dem (VP-affinen) Salzburger Team Stronach (TS) gebastelt hat. Im Bund ginge das schon viel schwerer, weil sich die Bundesgrünen an die SP gekettet haben. Überdies bräuchte man noch die Neos dazu (Haslauer hält allerdings die FPÖ für koalitionsfähig, doch die will eher nicht mit der ÖVP). Auf der anderen Seite gingen sich SPÖ, Grüne, TS und Neos aus, aber Werner Faymann hasst Experimente.

So werden sich SP und VP wohl letztlich (und vorläufig) an Hamlet halten:

"Dass wir die Übel, die wir haben, lieber

Ertragen als zu unbekannten fliehn.

So macht Bewusstsein Feige aus uns allen".

hans.rauscher@derStandard.at

 

(HANS RAUSCHER, DER STANDARD, 7.12.2013)