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Die Lauterkennung funktioniert bei Menschen mit Dyslexie genauso gut wie bei Nichtbetroffenen, die Laute werden im Gehirn aber schlechter weiterverarbeitet - dies fanden Forscher aus mehreren Ländern heraus.

Foto: dpa-Zentralbild/Jens Büttner

Belgische Forscher haben eine neue Erklärung für die Entstehung einer Lese- und Rechtschreibschwäche gefunden. Die gängige Theorie, wonach Legastheniker Laute schlecht unterscheiden können und deshalb Probleme beim Lesen und Schreiben haben, sei womöglich falsch, so die Forscher im Fachmagazin "Science". Die Lauterkennung funktioniere bei Menschen mit Dyslexie genauso gut wie bei Nichtbetroffenen, die Laute würden im Gehirn aber schlechter weiterverarbeitet.

Intakte Sprachwahrnehmung

Die Wissenschafter untersuchten 23 Menschen mit Dyslexie und 22 Menschen, die problemlos lesen und schreiben können. Dabei kam heraus, dass Legastheniker - anders als von vielen Forschern angenommen - die Feinheiten verschiedener Sprachlaute sehr wohl verstehen können. "Die Sprachwahrnehmung bei Erwachsenen mit Dyslexie war völlig intakt", sagt Studienleiter Psychiatrieprofessor Bart Boets von der Universität Löwen/Belgien.

Stattdessen fanden die Forscher aus Löwen, London, Oxford und Zürich bei Hirnscans heraus, dass Verbindungen zwischen den Hörzentren in der linken und rechten Hirnhälfte und zum Broca-Areal, einem Teil des Sprachzentrums in der Großhirnrinde, nicht richtig funktionierten. Legastheniker hätten also Probleme, die wahrgenommene Sprache weiterzuverarbeiten, erklärte Boets. Die nicht funktionierenden Verbindungen im Gehirn erschwerten bei ihnen einen "effizienten Zugriff" auf die Informationen.

Andere Experten beurteilten die Untersuchungsergebnisse jedoch skeptisch. Über Jahrzehnte seien in Studien "sehr umfassende und überzeugende" Beweise für die Theorie zusammengetragen worden, wonach Legastheniker Probleme bei der Sprachwahrnehmung haben, sagte der Neurowissenschaftler Michael Merzenich von der University of California in San Francisco dem Magazin "Science". Diese Publikationen könnten "nicht einfach ignoriert" werden. (APA, derStandard.at, 6.12.2013)