In den guten, alten Tagen wurden wir von Regiekunst und ansprechenden Dialogschnipseln zum Bleiben verführt.

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Ist Ihnen aufgefallen, dass sich Zappen verändert hat? In den guten, alten Tagen klickten wir uns in den Werbepausen durch die Sender, und die Bilder entschieden über unser Verbleiben. Verführt von Regiekunst und ansprechenden Dialogschnipseln landeten wir im "Tal der Puppen" oder ergötzten uns an der "Badenden Venus".

Moderne Fernseher bieten die Möglichkeit, während des Berieselungsvergnügens die Programme anhand einer Textleiste durchzusehen und über das Lesen den Sprung auf die nächste TV-Insel zu entscheiden. Diese Option verändert alles. Wer keinen attraktiven Titel bietet, fällt durch.

Der Zapp-Gott, als Meister des glücklichen Zufalls, büßt in diesem Umfeld einen Großteil seiner Macht ein. Statt seiner schwingt sich die Metainformation zum neuen Beherrscher der Zuschauergunst auf, Programmzeitschriften und Publikumsempfehlungen in Foren und sozialen Netzwerken erleben am Second Screen einen ungeahnten Höhenflug.

Die Menschen sind hungrig nach kuratierten Inhalten, oft vergessen sie über das Lesen auf ihren mobilen Geräten auf das Fernsehen selbst. Im Sog dieser Entwicklung endet das TV-Erlebnis immer öfter ohne der gewünschten Befriedigung. Der Entspannungsfaktor befindet sich im Schwinden.

Der Zapp-Gott indes konzentriert in dieser hektischen Zeit seine Gunst auf die Faulen und Spontanen, die sich fernab von Kontrollbegierden der Meditation des flackernden Bildschirms hingeben. Sie alleine genießen als Letzte ihrer Generation den Zauber der süßen Ungewissheit, deren Segnung sich von Zeit zu Zeit in Perlen der TV-Unterhaltung zeigt, siehe: "Tal der Puppen" und "Badende Venus". (Tatjana Rauth, DER STANDARD, 6.12.2013)