Israel ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. 150.000 Haushalte hängen an der Verteidigungsindustrie, die damit einen der größten Wirtschaftsfaktoren darstellt. Die Militarisierung der Gesellschaft ist gegenwärtig, die Präsenz von Waffen im öffentlichen Raum alltäglich. Dennoch wird über diesen Zustand gerne geschwiegen. Dem Israeli Yotam Feldman, Journalist für Haaretz und Al Jazeera, ist es trotzdem gelungen einen sehr intimen Blick in die Welt der Waffenhersteller und israelischen Militärs zu werfen. In seiner Dokumentation "The Lab", die unter anderem vom israelischen Kulturministerium mitfinanziert und vom Tel Aviv Documentary Festival ausgezeichnet wurde, sprechen eine Reihe wichtiger Generäle, Waffenhersteller und Politiker überraschend offen und schonungslos über das Kriegsgeschäft und dessen wirtschaftliche Bedeutung in Israel.
Waffenhersteller statt Balletttänzer
Auslöser für den Film war für Feldman die Operation "Gegossenes Blei" 2009 im Gaza-Streifen während der, wie er sagt, die israelische Bevölkerung von den Geschehnissen weitgehend abgeschottet war: "Es gibt einen dauerhaften Kriegszustand in der Region, der aber für die Israelis immer gesichtsloser wird." Es ist diese Diskrepanz, die auch die starke Wirkungskraft des Filmes ausmacht. Interviewszenen, in denen zum Beispiel Waffenexporteur Amos Golan erklärt, dass er in einem anderen Leben wohl Balletttänzer geworden wäre, wechseln einander mit Archivbilder von den letzten militärischen Operationen ab. Beim jährlichen Kongress der israelischen Verteidigungsindustrie wird ausgerechnet John Lennons Friedenshymne "Imagine" angestimmt und der eigens beschäftigte Berufsphilosoph der israelischen Armee erklärt auf einem Truppenübungsplatz in der Wüste, wie man am besten den Gegner verwirrt.
Im Kampf erprobt
Nicht nur der Konflikt mit den Palästinensern, auch vom globalen Interesse wurde die Industrie in den letzten Jahren kräftig angekurbelt. Warum Israels Waffen weltweit so beliebt sind, erklärt sich aber wiederum daraus, dass sie schon im Kampf erprobt sind. Berührungsängste zwischen unterschiedlichen Staaten scheint es plötzlich nicht mehr zu geben, wenn ägyptische Generäle auf der internationalen Waffenmesse an israelischem Gerät interessiert sind, oder ein israelischer Sicherheitsdienst die brasilianische Armee bei ihren Feldzügen durch die Drogenviertel unterstützt.
Fast vier Jahre arbeitete Regisseur Feldman am Film, lange dauerte es bis er das Vertrauen der Protagonisten gewinnen konnte. Auch wenn in vielen der Stellungnahmen eine erschreckende Abgebrühtheit und Selbstverständlichkeit gegenüber tödlicher Gewalt gezeigt wird, betont Feldman: "Das sind keine Monster oder Freaks, sondern immer noch Menschen." (tee, derStandard.at, 6.12.2013)