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Der Vietnamkrieg (im Bild eine Gedenkfeier in Arlington) gilt als das außenpolitische Trauma der USA schlechthin, doch auch jetzt ist das Selbstwertgefühl der Amerikaner angeschlagen.

Foto: AP/Jacquelyn Martin

Erstmals seit 40 Jahren glaubt eine Mehrheit der Amerikaner wieder, dass ihr Land in der Welt an Einfluss verliert. 53 Prozent sind der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten eine weniger wichtige Rolle im internationalen Geschehen spielen als noch vor einem Jahrzehnt.

Dieser Wert hat sich seit 2004, als sich der Truppeneinsatz im Irak nach zu frühen Erfolgsmeldungen als lange Durststrecke entpuppte, mehr als verdoppelt. Es ist der neueste Beleg dafür, wie gründlich einstige Hybris der Ernüchterung gewichen ist.

52 Prozent sind der Meinung, die USA sollten sich mehr den eigenen Problemen zuwenden, anstatt anderen Nationen zu helfen. Das ist der höchste Anteil, seit Demoskopen begannen, in den 1960er-Jahren eine entsprechende Frage zu stellen.

Chronische Selbstzweifel

Fasst man zusammen, was das hochangesehene Pew-Institut in seiner Studie America's Place in the World auf 110 Seiten zu Papier bringt, ergibt sich ein Stimmungsbild, wie es an die chronischen Selbstzweifel nach dem Vietnamkrieg erinnert. Die Melancholie geht so weit, dass viele, im Widerspruch zu den Fakten, China bereits heute für die global führende Wirtschaftsmacht halten.

Klar wird, dass Barack Obama mit seiner Außenpolitik nicht punkten kann. Lange Zeit galt das Feld als Stärke eines weltbürgerlich aufgeklärten Präsidenten, den viele auch deshalb gewählt hatten, weil sie sich nach den Alleingängen George W. Bushs eine Imagereparatur versprachen.

Inzwischen halten 70 Prozent der Befragten ihr Land für weniger respektiert als früher. Das sind fast so viele wie im Mai 2008, als das Ende der Ära Bush nahte und der Wahlkämpfer Obama mit "Wandel" und "Hoffnung" umso euphorischer gefeiert wurde. Heute sind 56 Prozent nicht einverstanden damit, wie er in der Welt agiert. Lediglich die Antiterrorpolitik, mit den Drohnen als Markenzeichen, wird von einer knappen Mehrheit gutgeheißen.

"Wir sehen ein Zögern, wenn nicht sogar Widerstand, wenn es ums Eingreifen im Ausland geht", bilanziert Pew-Direktor Michael Dimock. In der Debatte um einen Militärschlag gegen Syrien sei dies überdeutlich zu spüren gewesen. Allein an Kriegsmüdigkeit liege es nicht, sondern ebenso an der kühlen Erkenntnis, "dass unsere Bemühungen manchmal mehr Schaden anrichten, als dass sie Gutes bewirken".

Isolationismus, so Dimock, sei indes die falsche Vokabel für den Trend. Laut der Pew-Studie haben die meisten Amerikaner mit der Globalisierung überhaupt kein Problem: 77 Prozent halten es für richtig, internationale Handelsbeziehungen auszubauen.

Aufschlussreich auch ein Blick auf die Hitliste der beliebtesten Länder. Vorne rangieren Kanada, Großbritannien und Japan; gefolgt von Deutschland, Israel und Brasilien, während China, Russland und Saudi-Arabien die Schlusslichter bilden. Unter Demokraten genießt Frankreich Sympathien, unter den Republikanern Israel. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 5.12.2013)