Parfums sollen verführen. Mit "Good girl gone bad" gelang Kilian Hennessy das besonders gut. Eine Schlange ist das Symbol des Duftes, der sein Bestseller ist.

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Namensträger wie Kilian Hennessy haben es leicht und auch wieder gar nicht leicht. Wer Hennessy sagt, meint Cognac, vor allem die Deutschen mögen den Branntwein, der seit den 1970er-Jahren zum weltweit größten Luxuskonzern LVMH - Louis Vuitton, Moët, Hennessy - gehört. Unter diesem Dach ist heute vereint, was als gut und teuer gilt. Mit all dem hat Kilian Hennessy aber gar nichts zu tun. "By Kilian. Perfume as an art" steht programmatisch auf dem Türschild des prachtvollen Stadtpalais am noblen Boulevard Haussmann.

Die Stimmung im Treppenhaus ist ein bisschen so wie die in Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Kilian Hennessys Atelier ist eine große, helle Wohnung in klassizistisch geradlinigem Dunkelblau-Weiß gehalten. Wie es sich für einen Ort, welcher der Kunst der Parfumherstellung gewidmet ist, gehört, ist die Luft hier duftgeschwängert. Assistentinnen huschen über die Flure. Monsieur Hennessy habe viel zu tun, komme aber gleich.

Keine zwei Sekunden später ist er da. Zierlich, feingliedrig, gehetzt. Es dauert, bis seine großen braunen Augen zur Ruhe kommen. Er setzt sich. Interviews müssen sein, sind Teil seines Business.

STANDARD: Monsieur Hennessy, wie wichtig ist Ihr Name für Ihr Geschäft?

Kilian Hennessy: Der Vorteil ist, dass Hennessy automatisch mit Luxus in Verbindung gebracht wird. Allein, mein Familienname scheint nirgendwo auf, steht auf keinem Produkt. Ich dürfte ihn auch gar nicht verwenden, weil LVMH die Rechte dafür hat. Man trägt Kilian, nicht Hennessy.

STANDARD: Sehen Sie sich als Parfümeur oder als Unternehmer?

Hennessy: Beides. Ich habe die Ausbildung zum Parfümeur gemacht. Als mein Lehrer nach zwölf Jahren meinte, ich würde weitere 15 Jahre brauchen, um die nötige Leichtigkeit für den Beruf zu bekommen, habe ich mich anders entschieden. Ein Parfum ist ein Kunstwerk, ich arbeite mit Parfümeuren, deren Stil ich vertraue.

Kilian Hennessy ist 42 Jahre alt. Er spricht schnell, springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zitiert die Ikonen einer Branche, in der er ganz auf sich gestellt und ohne Familie reüssieren will. Das Rüstzeug hat er. Bevor er 2006 "By Kilian" gründete, hatte er sein Handwerk bei Christian Dior gelernt, war bei Alexander McQueen, Armani dann L'Oréal.

Zu Beginn seiner Selbstständigkeit lebte sein berühmter Großvater Gilles noch. Er rief seinen Enkel jeden Tag an und fragte, wie viel Flaschen er von seinem Parfum schon verkauft habe. Mittlerweile könnte er ihm berichten, dass seine 24 Parfums einen Umsatz von 50 Millionen Euro erwirtschaften und 200.000 Flakons in 200 Geschäften verkauft werden. "Good girl gone bad" ist sein Bestseller - weltweit. Darauf ist er stolz.

 STANDARD: Was, denken Sie, macht einen Duft erfolgreich?

Hennessy: Ich habe ein sehr klassisches Verständnis von Parfum und sehe mich in der Tradition des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Man muss sich nur die Bücher der großen Parfümeure von damals wie Guerlain oder Houbigant ansehen: Glaskunst, Satin, Goldschnitte, Quasten und prunkvolle Interieurs. Parfums waren Teil dieser Welt. Sie sind purer Luxus. Mein Verständnis ist ähnlich, nur zeitgenössisch.

STANDARD: Parfum ist aber doch zunehmend Massenware?

Hennessy: Für mich ist das Gegenteil der Fall. Es geht mir um Qualität. Sie allein bestimmt den Preis. Wenn ein Parfum teuer ist, dann nur, weil es auch die Inhaltsstoffe sind. Da geht es um ein Kulturverständnis. In den vergangenen Jahren hat sich die Tendenz durchgesetzt, Parfums möglichst billig zu produzieren.

STANDARD: Welche Parfums waren für Sie prägend?

Hennessy: Tuberose, die Nachthyazinthe. Nicht nur meine Mutter, alle Frauen meiner Familie tragen diesen Duft. Sie ist wunderbar und fast verschwunden, weil Tuberose aus Kostengründen meist durch Jasmin ersetzt wurde. Mein Großvater trug Eau Sauvage von Dior - immer extrem viel.

STANDARD: Wie arbeiten Sie?

Hennessy: Ein Parfum ist ein Kunstwerk, das in einem Labor entsteht. Zum Erfolg gehören aber auch ein Flakon und eine Geschichte. Es ist meine Aufgabe, diese Elemente zusammenzuführen.

STANDARD: Sie machen also das Marketing?

Hennessy: Die Instrumente des Marketings funktionieren bei Parfum anders. L'Oréal zum Beispiel macht für jedes neue Parfum Fokusgruppen. Nur bei 80 Prozent positiver Einschätzung kommt ein Produkt auf den Markt. Und was passiert dann? Manchmal verkauft es sich trotz allem nicht und wird nach ein paar Monaten wieder vom Markt genommen.

STANDARD: Sie wählen oft erotische Namen für Ihre Parfums. Ist das Teil des Konzepts?

Hennessy: Pate für die Namen all meiner Parfums ist immer die Literatur. Marguerite Yourcenars L'oeuvre noir war eine große Quelle der Inspiration, aber auch die Gedichte von Charles Baudelaire oder Arthur Rimbaud.

STANDARD: Sehen Sie sich als Parfümeur in einer französischen Tradition?

Hennessy: Durchaus, wenn es um Frankreichs Erbe bei Parfum geht, aber nicht was die Inspiration betrifft. Asiatische Sagen sind eine wichtige Inspirationsquelle. Wir wählen aus, was uns emotional und olfaktorisch berührt.

STANDARD: Bedient Kilian einen Nischenmarkt?

Hennessy: Diesen Ausdruck mag ich nicht. Ich denke, wir machen exklusive Parfums, Preis und Leistung stimmen überein. Wenn sich Nische auf die Distribution bezieht, dann ja. "By Kilian" gibt es in 200 Geschäften. Zum Vergleich: Es gibt 30.000 Parfümerien weltweit, in 15.000 bis 20.000 gibt es Chanel, insofern sind wir exklusiv. Die Distribution ist ein Bereich, den Hersteller nicht kontrollieren können.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Hennessy: Wer Parfums verkauft, muss erklären können, warum eine Flasche 250, eine andere nur 50 Euro kostet. Wir arbeiten mit Distributionspartnern, denen wir vertrauen. Am besten gelingt das mit eigenen Shops.

Kilian Hennessy hat sein iPad dabei, zeigt die Bilder seiner beiden Shops, die er, wie er findet, ganz unterschiedlich eingerichtet hat. Wenn es ums Interior-Design geht, ist er plötzlich tatsächlich emotional. Backstein in New York, Marmor in Russland, es ist wichtig, dass man das Lokalkolorit einer Stadt spüre.

Da will er anders als die globalen Luxusmarken sein, die im Gespräch plötzlich Messlatte und Konkurrenz gleichzeitig sind. Kilian Henessy macht keine Massenware, liebt die Details. Jetzt springt er auf, holt die Verpackungen seiner Parfums aus dem Regal und zeigt, das sie auch kunstvoll verzierte Abendhandtaschen sind. Die meisten davon gibt es nur in den Shops.

STANDARD: Warum Moskau?

Hennessy: Weil die Russen all meine Parfums lieben. Unser Shop ist nicht im Zentrum der Stadt, sondern 45 Minuten außerhalb in einer Mall namens Crocus City. Dort sind viele Luxusmarken. Ein Helikopterservice fliegt Kundinnen aus Aserbaidschan, Kasachstan und Usbekistan ein. Wir haben einen Shop, denken aber auch über einen richtigen Showroom dort nach. Wir suchen aber auch in anderen Städten Locations, nehmen uns dafür aber viel Zeit und wählen mit Sorgfalt.

STANDARD: Würden Sie sich wünschen, dass Sie "By Kilian" eines Tages an den LVMH-Konzern verkaufen?

Hennessy: Auf keinen Fall. Riesenkonzerne kümmern sich kaum um ihre Marken, oder sie ersticken sie. Da geht es ausschließlich um Zahlen. Wenn ich eines Tages verkaufe, dann nur an Estée Lauder.

STANDARD: Warum?

Hennessy:Weil dort Marken ihre Identität und Persönlichkeit bewahren können. Dafür sorgt dort John Demsey, der mit Marken wie M.A.C., La Mer, Jo Mallone oder Tom Ford gezeigt hat, dass es auch in großen Konzernen verschiedene Gesichter geben darf.  (Karin Pollack, Rondo, DER STANDARD, 6.12.2013)