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Caritas-Präsident Michael Landau: NGOs drängen auf Ausbau der Pflege.

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ÖGB-Präsident Erich Foglar: Forderungen ex negativo - und ein Herzenswunsch.

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Wien - Die Absender bemühen sich um Dramatik. "Es ist fünf nach zwölf", schreibt die Industriellenvereinigung in einem offenen Brief an die Regierung. Ergreife diese nicht endlich "mutige Reformen", seien Arbeitsplätze und Wohlstand "massiv" gefährdet.

"Derzeit sind die Taliban unterwegs", klagt hingegen ein hoher Funktionär der Gewerkschaft. Auch diese propagiert allgemeine Prosperität, fordert im Detail aber so ziemlich das Gegenteil der IV, deren Plänen sie eines nachsagt: Kaputtsparen.

Vor Ratgebern wie diesen können sich von SPÖ und ÖVP derzeit kaum retten: Lobbys aus allen politischen Himmelsrichtungen versuchen im Zuge der Koalitionsverhandlungen ihre Anliegen durchzuboxen. Ein Überblick über die diversen Wunschlisten.

  •  Arbeitgebervertreter IV-Präsident Georg Kapsch formuliert das Generalziel offen: Der Staat solle sich auf seine Kernaufgaben beschränken, deshalb keine neuen Steuern, dafür viel Sparen, etwa bei der Verwaltung. Die Wirtschaftsvertreter drängen auch auf Einschnitte im Pensionsystem, wobei die Bereitschaft zu Gegenleistungen unterschiedlich ist - die IV lehnt ein Bonus-Malus-System für Firmen im Umgang mit älteren Bediensteten ab, die Wirtschaftskammer ist da offener. Weitere Forderung: flexiblere Arbeitszeiten, am besten ein Ende des gesetzlichen Zwölfstundenlimits pro Tag. Mehrheitsfähig über die Interessengrenze hinaus ist der Ruf nach Bildungsreformen (Gesamt- und Ganztagsschule), Forschungsinvestitionen und eine steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit; mit letzter Forderung sind primär aber niedrigere Lohnnebenkosten für Unternehmen gemeint.
  •  Arbeitnehmerlobby Ihre Position definiert sich vielfach ex negativo aus den Forderungen des Sozialpartners: Gewerkschaft und AK setzen sich bei den Koalitionären gegen die Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes, Privatisierungen, eine vorzeitige Erhöhung des Frauenantrittsalters und andere Einschnitte im Pensionssystem ein. Herzenswunsch ist eine durch Vermögenssteuern finanzierte Steuersenkung für Arbeitnehmer; mehr als einen Zeitplan dürfte es kurzfristig aber nicht geben. Auch die geforderte sechste Urlaubswoche ab 25 Dienstjahren wird wohl erst einmal auf weitere Verhandlungen verschoben. Dazu kommt ein Sammelsurium an Ideen von einer Überstundenabgabe bis zur Zurückdrängung von All-in-Arbeitsverträgen.
  •  Pensionistenvertreter Analog zur Gewerkschaft wettert auch der Seniorenrat gegen "Horrorszenarien" in Sachen Pensionen - eine weitere Stimme gegen eine neuerliche Systemreform, mit einer Divergenz: ÖVP-Vertreter Andreas Khol sieht eine raschere Anhebung Frauenpensionsalter weitaus positiver als SP-Pendant Karl Blecha. Beide plädieren für das Bonus-Malus-System für Unternehmer und wollen darüber hinaus verhindern, was den Senioren beim letzten Sparpaket blühte: jährliche Pensionsanpassungen unter der Inflationsrate.
  •  Familienorganisationen Viel Protest regt sich gegen die Ankündigung, die vor der Wahl verheißene Erhöhung der Familienbeihilfe aus Geldnot abzublasen: Mit vereinten Kräften wollen Familienbund, Kinderfreunde, der katholische Familienverband und andere Organisationen die Koalitionäre umstimmen und am Mittwoch beim familienpolitischen Beirat unter Vorsitz von Familienminister Reinhold Mitterlehner einen entsprechenden Antrag einbringen. Auch das Kinderbetreuungsgeld soll valorisiert - ergo: erhöht - werden. Mit einer Unterschriftenaktion wollen die Aktivisten den nötigen Nachdruck schaffen.
  •  Soziale NGOs Zentrale, kollektive Forderung von Caritas, Rotem Kreuz, Volkshilfe und Co: Die Regierung habe die Pflegeversorgung zu sichern, was bis 2020 zusätzlich 4,2 Milliarden koste; die ebenfalls verlangte Valorisierung des Pflegegelds gemäß der Teuerungsrate ist dabei noch gar nicht eingerechnet. Statt ins klassische Heim solle mehr Geld in mobile Pflegedienste fließen, verlangen die NGOs und wollen die Weichen bei einer eigenen Pflegekonferenz stellen.
  •  Umweltschützer Die am Montag publik gewordenen Papiere zu den Themen Energie und Umwelt sehen die Umweltorganisationen als Beispiel für gelungenen Lobbyismus - allerdings nicht den eigenen, sondern den der Gegenseite. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbands (UWD) im Gespräch mit dem Standard: "Hier ist vieles verklausuliert dargestellt - aber in Wahrheit werden einfach die Wünsche der E-Wirtschaft zum Regierungsprogramm." So legte sich die Koalition auf Kraftwerksneubauten (wahrscheinlich im Kaunertal) und auf einen Ausbau der 380-kV-Leitungen zu den Nachbarländern und im Ring (Lückenschluss in Kärnten und Salzburg) fest - wobei das Behördenverfahren erleichtert, die Bürgerbeteiligung aber erschwert werden soll.

Die Umweltschützer wollten konkrete Ziele für den Umweltschutz (als einziges über die bekannten Programme hinausgehendes Ziel ist die Reduktion von Lebensmitteln im Müll um 20 Prozent in Zahlen festgeschrieben) und eine Festlegung der Energiewende.

  •  Energieversorger Im engen Zusammenhang mit der Umwelt steht das Energiekapitel: Hier agieren neben Umweltschützern wie Greenpeace einerseits und den Energieversorgern andererseits auch die Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien - und hier sind es vor allem die Bauern, die Biomasse gefördert haben wollen. Im Energiepapier steht schwammig das Versprechen, "Effizienz, Transparenz und Treffsicherheit der Förderungen" erhöhen zu wollen.
  •  Bauern Den Landwirten ist vor allem wichtig, dass ihr eigenes Ministerium erhalten bleibt - als spezifische Anlaufstelle für agrarspezifische Anliegen: Hier geht es um die nationale Kofinanzierung der Programme für den ländlichen Raum ebenso wie um die Agrarchemie und die Lebensmittelsicherheit.
  •  Beamte Auch wenn sich in den vergangenen Monaten alles auf das neue Lehrerdienstrecht fokussiert hat: Die Beamten wissen, dass dieses quasi als Modell für die anstehende (und von früheren Regierungen immer wieder aufgeschobene) Reform des gesamten Beamtendienstrechts gelten wird. Was die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (Göd) für die Lehrer nicht erreicht, wird sie auch für andere öffentlich Bedienstete nicht erreichen können. (Gerald John, Katrin Burgstaller, Conrad Seidl, DER STANDARD, 3.12.2013)