Berlin – Kinder mit schweren Fehlbildungen fallen beim Übergang in das Erwachsenenalter häufig aus der medizinischen Versorgung heraus. Dies kann ihren Gesundheitszustand massiv und dauerhaft verschlechtern und damit ihre Chancen auf ein weitgehend selbstbestimmtes Leben vermindern. Wie die "Transition", der Übergang chronisch kranker Jugendlicher von der kinderchirurgischen Versorgung in die Erwachsenenmedizin, gelingen kann, diskutieren Experten auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) am 4. Dezember 2013 in Berlin.

Experten gehen davon aus, dass weltweit circa 10 Prozent aller Neugeborenen mit einer angeborenen Anomalie zur Welt kommen. Fehlbildungen des Enddarms und des Afters, eine nicht durchgängige Speiseröhre oder ein offener Rücken: Dank aufwendiger kinderchirurgischer Operationsverfahren und moderner Intensivmedizin hat sich die Überlebensrate betroffener Kinder in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend verbessert. Dennoch bleiben die Patienten häufig lebenslang behindert und leiden teilweise unter beträchtlichen chronischen Störungen wie Urin- und Stuhlinkontinenz, Schluckstörungen oder Krämpfen.

Sollbruchstelle Pubertät

Bis zum Erwachsenenalter tragen fachübergreifende Betreuungskonzepte durch Kinderchirurgen, Kinderärzte, Sozialpädiater sowie Kinder- und Jugendpsychiater dazu bei, dass sich die Betroffenen – trotz aller Einschränkungen – möglichst normal entwickeln und die Schule besuchen können. Die Pubertät gilt als Sollbruchstelle diese strukturierten kinderchirurgisch-pädiatrischen Betreuungskonzepts. "Gerade in dieser Phase, in der die jungen Menschen, verstärkt durch ihre Behinderung, besonders verletzlich und schwer zugänglich sind, müssen sie den Übergang vom vertrauten Kinderchirurgen zu fremden Spezialisten bewältigen", sagt Bernd Tillig, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Dies gelingt, so Tillig, oftmals schlecht oder gar nicht.

Viele junge Patienten brechen die Therapie ab, gehen nicht mehr zur Physiotherapie oder hören auf, ihre Medikamente zu nehmen. Damit gehen Therapiefortschritte – auch im Hinblick auf Alltag, Schule und Berufsausbildung – wieder verloren. "Teilweise für immer", betont Tillig, Leiter der Klinik für Kinder- und Neugeborenenchirurgie und Kinderurologie am Vivantes Klinikum in Berlin und verweist unter anderem auf die Bewertung des Sachverständigenrats Gesundheit, nachdem die Betreuung chronisch kranker Jugendlicher in der Übergangsphase in Deutschland "mangelhaft" ist. "Es besteht dringender Handlungsbedarf", so Tillig.

Die DGKCH fordert, Jugendliche beim Übergang in die Erwachsenenmedizin mit flächendeckenden Transitionskonzepten, wie etwa geeigneten wohnortnahen Weiterbetreuungseinrichtungen, zu unterstützen. (red, derStandard.at, 3.12.2013)