Zwei Freundinnen verbringen "Tage am Strand" und landen im emotionalen Grenzgebiet. 

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Wien - Der wichtigste Ort in diesem Film ist ein vor der Küste festgemachtes Floß. Hierher haben sich die besten Freundinnen Roz (Robin Wright) und Lil (Naomi Watts) bereits als Kinder zurückgezogen, heute genießen sie hier mit ihren erwachsenen Söhnen den Sommer. Für alle vier bedeutet die schwimmende Insel ein Stück Freiheit; aber sie verlockt Mütter und Söhne auch dazu, ihrem Begehren nachzugeben.

Denn eines Tages zeigt Ian (Xavier Samuel) eben in dieser Schutzzone Interesse an der Freundin der Mutter, und was für Roz als heimliche Sommerromanze beginnt, entwickelt sich bald zu echter Liebe. Ihr Sohn Tom (James Frecheville) wiederum macht sich als Rache erfolgreich an Lil heran. So findet sich die Viererbande in einer amourösen Beziehung wieder, wie sie im Buche steht - und zwar in einem von Doris Lessing.

Regisseurin Anne Fontaine, die mit Arbeiten wie Nathalie ihre Vorliebe für Erotikdramen bekundete, hat sich der Erzählung Die Großmütter der kürzlich verstorbenen Nobelpreisträgerin angenommen, und man kann in Tage am Strand immerhin noch das gesellschaftskritische Potenzial seiner Vorlage erahnen. Dass die Männer der beiden Frauen keine Rolle spielen - Roz' Ehemann ist weggezogen, Lil ist Witwe -, ist nicht nur der Notwendigkeit geschuldet, diese Amour fou in Gang zu setzen, sondern auch, um das homoerotische und inzestuöse Motiv hervorzustreichen, das sich deutlich zu erkennen gibt.

Aus dieser Konstellation hätte ein fesselndes Vexierspiel der Blicke und Täuschungen werden können, ein Film über die Macht der ohnmächtigen Liebe und über die Tränen von verhängnisvollen Affären, wie es Fontaines Drehbuchautor Christopher Hampton bereits für Stephen Frears' Gefährliche Liebschaften und David Cronenbergs Eine dunkle Begierde gelungen ist. Roz und Lil haben den Vierziger überschritten und die ihnen zugewiesenen Rollen zwar bislang vorbildlich erfüllt, die eigenen Wünsche sind sie sich allerdings schuldig geblieben. Ob ihre Söhne nicht Göttern gleichen, meint eine der beiden zu Beginn, als die Jünglinge vom Surfbrett steigen - und schon überlagert das Begehren den mütterlichen Stolz.

Doch statt auf die inneren Konflikte der Frauen und die nach außen getragenen der Söhne konzentriert sich der Film auf den Schauwert von malerischen Küsten und männlichen Körpern. So bleibt die Hitze der Gefühle selbst in sonnendurchfluteter Strandarchitektur seltsam unterkühlt. (Michael Pekler, DER STANDARD, 2.12.2013)