Es ist ärgerlich zu sehen, wie politische Parteien von den Fehlern anderer nichts lernen: Die SPD hat im Koalitionsvertrag unter dem Slogan "45 Jahre sind genug" eine abschlagsfreie Frühpension für Langzeitbeschäftigte durchgesetzt - eine Kopie der österreichischen Hacklerpension, deren desaströse Folgen nun erst mühsam beseitigt werden.

Insgesamt strotzt das deutsche Regierungsprogramm im Rentenkapitel von Zugeständnissen an Einzelgruppen, die zwar allein genommen nicht so teuer sind und auch irgendwie verständlich, aber angesichts einer rasant steigenden Lebenserwartung und der Finanzierungsprobleme der Altersvorsorge gegen alles gehen, was Ökonomen dieser Tage empfehlen.

Allerdings gibt der Staat in Deutschland dank eines höheren Antrittsalters, deutlich niedrigerer Pensionszahlungen und eines gut ausgebauten Systems der betrieblichen und privaten Vorsorge um einiges weniger für die Altersvorsorge aus als in Österreich - und kann sich daher solche Rückschritte eher leisten.

Gerade jene reformschwachen europäischen Staaten, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, haben bei ihren Pensionskosten die tiefsten Einschnitte vorgenommen. Und da solche Reformen auf Jahrzehnte hinaus wirken, ist es gut möglich, dass Italien und Spanien in Zukunft besser dastehen werden als Frankreich oder Deutschland. Österreich haben sie schon längst hinter sich gelassen.

Dafür marschiert die SPÖ-ÖVP-Koalition - im Gegensatz zu ihrem deutschen Pendant - jetzt zumindest in die richtige Richtung. Das nunmehr vereinbarte Ziel, das durchschnittliche Antrittsalter von 58,4 auf 60 Jahre zu heben, erfüllt die zentrale Forderung von Pensionsexperten wie Bernd Marin, nicht die Pensionshöhen, sondern die Pensionsdauer zu kürzen, indem man Menschen länger im Arbeitsmarkt hält.

Ob diese Zielvorgabe tatsächlich erreicht und nicht nur durch Statistiktricks erschwindelt wird, hängt von Maßnahmen ab, die noch nicht beschlossen wurden, und deren späterer Umsetzung. Hier hat Österreich bisher bei Pensionsanwärtern meist viel Nachsicht walten lassen. Ob sich dies so rasch ändern lässt, ist fraglich.

Doch kein Land wird die Kosten der Alterung je in den Griff bekommen, wenn es seinen Senioren nicht die Chance bietet, auch tatsächlich länger zu arbeiten. In vielen Ländern wird derzeit die Alters- von der Jugendarbeitslosigkeit überschattet. Doch während junge Menschen irgendwann immer Arbeit finden, bleiben arbeitslose Arbeitnehmer über 50 meist bis zu ihrem Lebensende ohne Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt für Ältere ist daher eine der ganz großen Herausforderungen für alle Gesellschaften - und eine, über die bisher viel zu wenig nachgedacht wurde.

Das Bonus-Malus-System für die Beschäftigung von Älteren, das in Österreich nun kommen soll, ist ein wichtiger Schritt dorthin. Ob sich dadurch wirklich etwas ändert, hängt wiederum von der Höhe der Anreize und Strafen für Betriebe ab sowie von der Zahl der Ausnahmen, die die Wirtschaftskammer noch durchsetzen kann. Aber auch ein solches System kann erst ein Anfang sein. Gerade die Sozialpartnerschaft ist dazu geeignet, einen umfassenden Aktionsplan für ältere Arbeitnehmer auszuarbeiten, der etwa neue Arbeitszeitmodelle und Berufsfelder schafft. Vielleicht kann Österreich hier anderen Staaten ein Modell liefern, das sich nachzuahmen lohnt. (Eric Frey, DER STANDARD, 2.12.2013)