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Der metallische Held: Ein "Jadehase" auf "Langer Marsch 3B".

Foto: REUTERS/Stringer

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Modell des chinesischen Rovers "Yutu" vor dem Landungsmodul, das ihn auf dem Mond absetzen soll.

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Am frühen Montagmorgen, exakt um 1.30 Uhr chinesischer Zeit, hob die unbemannte Raumfähre "Chang'e 3" ("Mondfee 3") vom Raumbahnhof Xichang in Südwestchina an Bord einer "Langer Marsch 3-B"-Rakete ab. Mitte Dezember soll sie auf dem Mond landen. Erstmals wird sie auch nukleare Energiespender als Isotopen-Batterien, wie sie auch die USA und Russland verwenden, mit an Bord haben, für die besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden mussten. Die Pekinger Zeitung "Beijing Wanbao" zitierte den Vizekommandeur des Mondprojekts, Zhao Min: "Chinas künftige Raumfahrt kann nicht ohne Atomenergie auskommen."

Enge(s) Zeitfenster

Die Raumfahrtbehörden hatten vorab den Termin mit ungewöhnlicher Präzision bis auf die Minute bekannt gegeben. Chinas Staatssender CCTV wollte die ersten 1.000 Sekunden nach dem Start live übertragen. 200 chinesische Journalisten durften vom Ort aus berichten. Der Kommandeur des Raumbahnhofes Cen Zheng zeigte sich trotz des "engen Zeitfensters" für den Abschuss zuversichtlich: Die Trägerrakete "Langer Marsch" mit mehr als drei Meter Durchmesser und 56,4 Meter Höhe sei stark verbessert worden, vom reduzierten Eigengewicht bis zu "hochpräzisen" Leit- und Kontrollsystemen und optimierten Sensorenkontrollen.

Chinesische Raumwissenschafter hatten die ideale Startzeit auf nur drei Zeitfenster im Dezember begrenzt, die auch nur ein bis vier Minuten offenstünden, sagte Kommandant Cen. Der Termin 1.30 Uhr am frühen Morgen sei gewählt worden, damit die Landung der  Raumfähre auf dem Mond tagsüber erfolgen und die Fähre die Sonnenenergie nützen kann. Sie transportiert ein auf den Namen "Yutu" ("Jadehase") getauftes Mondmobil und setzt es nach ihrer Landung zu Erkundungsfahrten aus. 

Hintergrund

Die neue Mission markiert die jüngste Phase im ehrgeizigen Raumfahrt-Aufholprogramm der Pekinger Führung. Nach den USA und Russland will China als weltweit dritte Nation auf dem Mond landen. Es ist die Vorausssetzung, dass nach den derzeitigen Plänen vermutlich um 2025 ein chinesischer Astronaut seinen Fuß auf den Mond setzen kann. Das wäre über ein halbes Jahrhundert, nachdem die USA dort ihre Fahne hissten.

Pekings Raumfahrtbehörden wollen für die sanfte Landung der mehr als 3,5 Tonnen schweren Fähre kein Risiko eingehen. Nach Eintritt in eine Mondumlaufbahn in 15 Kilometern Höhe soll sich die "Chang'e 3" über sechs Sinkphasen allmählich dem Erdtrabanten nähern. Indirekt würden auch europäische Raumwissenschafter als "Backup"-Team mit aufpassen. Das meldete die Sonntagsausgabe der "South China Morning Post" (SCMP) unter Berufung auf den deutschen Ex-Astronauten Thomas Reiter, der Direktor für bemannte Raumfahrt und Betrieb bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ist. 

China als Kooperationspartner

Der gebürtige Frankfurter arbeitete einst an Forschungsprojekten sowohl auf der Raumstation "Mir" wie später auf der Internationalen Raumstation ISS mit. Er sagte der Zeitung, dass ESA-Raumfahrttechniker zur Unterstützung einspringen könnten, wenn es zu Funk- und Kommunikationsausfällen chinesischer Bodenstationen mit der Mondfähre kommen sollte. Die  ESA wolle enger mit China kooperieren. Eventuell könnte künftig auch ein europäischer Astronaut auf einer "Shenzhou"-Raumfahrt-Mission mitreisen. Das gehöre "zu den von uns verfolgten Zielen", sagte er der Hongkonger Zeitung.

Ende September hatten Chinas Wissenschaftsbehörden auf einem Internationalen Raumfahrttreffen in Peking ihre Bereitschaft zur Kooperation mit dem Ausland bei der Raumfahrt angeboten. Dies schließe auch ihre für 2020 geplante Raumstation ein. Sie würde internationaler Mitarbeit offenstehen.

Der "Chang'e 3" gingen zwei Mondumrundungsflüge der "Chang'e 1" und "2" voraus. Sie vermaßen ein Jahr lang den Erdtrabanten mit seinen topographischen Besonderheiten und legten das Landegebiet der "Chang'e 3" in  der "Regenbogen-Bucht" (Sinus Iridum)  fest. 

Der Mond-Rover

Peking stellte vorab auch ein Modell seines Mondrovers "Yutu" aus. Der von Solarenergie gespeiste "Jadehase" soll auf sechs Rädern drei Monate lang die Mondoberfläche erkunden, Bodenproben analysieren und Daten, Fotos und Filme zurücksenden. Er soll mit seinen speziellen Sensoren auch nach "Bodenschätzen suchen" schrieb die Nachrichtenagentur Xinhua. 

Shanghais Raumforschungs- und Ingenieursinstitut "Aerospace Systems Engineering Research Institute" hat das Roboterfahrzeug entwickelt. Seine Räder seien für sicheren Halt im Mondstaub- oder Sand konstruiert, könnten Steigungen bis 30 Grad überwinden und extremen Tempertaturschwankungen standhalten. Es nutze sein eigenes für den Mondrover  entwickeltes  Navigationssystem.

Zur sicheren Energieversorgung führe die Fähre Isotopen-Batterien, sagte der Vizechef des Mondprogramms Zhao Min nach Angaben der "Pekinger Abendzeitung". Sie sollen bei der Landung der Fähre die Antriebsaggregate und Messsensoren unterstützen und sie auch über Nacht bei extremen Temperaturabfällen funktionsfähig erhalten. Für die Lagerung, Transport und Installation der nuklearen Energiespender mussten besondere Sicherheits-Maßnahmen wegen der Strahlungsgefahr getroffen werden.

Prestigefrage

Pekinger Strategieforscher bezeichneten lange Zeit eine technologisch hochentwickelte Raumfahrt als das letzte unbesetzte Terrain Chinas auf seinem Weg zur Weltmacht. Erst 2003 wurde der erste Raumfahrer Yang Liwei an Bord eines "Shenzhou"-Raumschiffes in eine Erdumlaufbahn geschossen. Seither macht Peking mit seinen dem Militär unterstellten Ausbauprogrammen mit der mit nationaler Priorität betriebenen bemannten Raumfahrt rasante Fortschritte.

Nach offiziellen Angaben arbeiten heute 3.000 Unternehmen, Forschungslabors und Akademien mit mehreren hunderttausend Mitarbeitern für das Prestigeprojekt. Seine Kosten werden nur partiell genannt und sind weder im Verteidigungsetat noch in den Forschungs- oder Haushaltsplänen ausgewiesen. Nach selbstverkündeten Plänen will Peking ab 2020 über eine permanent eingerichtete und bemannte Raumstation verfügen, um tief ins All vorstoßen zu können. 

Die "Doppelten Hundert"

Der Termin folgt auch einer politischen Agenda. Die von der Kommunistischen Partei bestimmte Politik für die Volksrepublik hat sich zwei zeitliche Ziele gesetzt, 2021 und 2049. Sie nennt sie die "Doppelten Hundert." Bis 2021, dem hundertsten Geburtstag der 1921 gegründeten KP-China, soll sich das Land als Großmacht nach innen, nach außen und im Weltall entwickelt haben. Ab 2049, dem dann hundertsten Geburtstag der Gründung der Volksrepublik 1949, soll seine Stimme den ersten Ton im Konzert der Weltmächte angeben. Nicht nur auf der Erde. Auch im All. (Johnny Erling/red, derStandard.at, 2. 12. 2013)