Foto:

Vergesst Schweinebäuche und gefrorenen Orangensaft – Sesam ist der Stoff, der die Weltmärkte in Bewegung hält. In den indischen Bundesstaaten Uttar Pradesh und Madhya Pradesh hat der Monsunregen zu spät eingesetzt. Ganz schlecht. Verhagelt den Sesampreis bis weit ins nächste Jahr. 5000 Kilometer Luftlinie entfernt, in Istanbul, wird das eherne Gesetz des Marktes nun umgesetzt: 1,40 Lira kostet seit dieser Woche der Sesamring bei den fliegenden Händlern. 40 Kuruş mehr, 40 Prozent mehr. Selbst für inflationserfahrene Türken, die mit realen zehn Prozent Kostensteigerungen im Jahr leben (6,2 % nach Ansicht der türkischen Zentralbank für 2013), hört da der Spaß auf.

Der simit, verkauft von einem simitci und konsumiert mit einem Glas Tee (çay, verkauft von einem çaycı), ist das Grundnahrungsmittel des Türken. Was den simit von seinen Hefeteigbrüdern in Griechenland (Koulouri) und Bulgarien (Gewrek) unterscheidet, ist schon einmal die Menge an Sesam, die auf den Ring gepackt wird und die dann in den Zähnen hängen bliebe, wenn eben nicht gleich mit Tee oder Wasser nachgespült würde. Je nach Zähigkeit des erworbenen Produkts und Laune des Käufers dient der simit auch der Ernährung von Möwen während der täglichen Bosporus-Überfahrt. Aber nicht mehr für 1,40 TL (derzeit 51 €-Cent), so viel wie zwei Tageszeitungen, wenn man das anmerken darf.

Weltweit werden jährlich drei Millionen Tonnen Sesamkörner produziert, vorwiegend in China und Indien. Rund 900.000 Tonnen gehen in den Welthandel und ein nicht unbeträchtlicher Teil davon – 140.000-150.000 Tonnen – in die türkischen Backstuben. Dafür sorgen Sesamkönig Hakan Bahçeci und seine in Dubai ansässige Hakan Agro DMCC. Herr Bahçeci steht im Moment begreiflicherweise schlecht da, wofür er aber nichts kann, wie er dem türkischen Wirtschaftsblatt Dünya erklärt hat. Die Sesamproduktion in China und Indien sei zwar um 50 Prozent gefallen, so gibt er an, der Preisanstieg für den simit in der Türkei um 40 Prozent erkläre sich aber auch durch den satten Einfuhrzoll von 23,4 Prozent. Weil er 1,40 TL für den Kringel auch für unmöglich hält, plädiert der Sesamkönig für die Absenkung des Zollsatzes auf 10 Prozent. So viel nämlich wird bei der Einfuhr von Gebäck aufgeschlagen.

So weit, so klar. Nun verhält es sich aber so, dass der simit bei den Händlern auf der asiatischen Seite von Istanbul immer noch beharrlich eine Lira kostet – später Monsunregen hin oder her – während der fliegende Fachhandel auf der europäischen Seite die 1,40 eingeführt hat. Vom simitci an der Anlegestelle in Kadiköy (1 TL) war dafür keine ökonomisch zusammenhängende Erklärung einzuholen. Der Verkäufer erwähnte die Existenz von zwei großen Backöfen – einmal Istanbul Europa, das andere mal Istanbul Asien – und dass der Preis schon im nächsten Monat oder im nächsten Jahr angehoben werde. Verproviantieren hilft jedenfalls nicht. Vielleicht macht jemand gerade einen ganz großen Reibach, vielleicht wäre es auch gescheiter gewesen, den Anbau von Sesam in der Türkei nicht eingehen zu lassen...