In der SPÖ wachse während der Koalitionsgespräche der Unmut über die ÖVP, hören wir. Umgekehrt wird auch ein Schuh draus. In der ÖVP murren die hinteren Ränge über die Sozialdemokraten: zuerst gemeinsam mit der Volkspartei ein Loch (oder Nicht-Loch) von 18 Milliarden bis 2018 identifizieren, dann plötzlich ist alles wieder ganz anders - schau' ma mal, es ist eh net so arg, machen wir einmal ein Budget 2014, und dann wird es schon irgendwie weitergehen.

Michael Spindelegger kann sich im Gespräch diesen Schwenk nur damit erklären, dass die Gewerkschaft und wichtige Faymann-Berater wie AK-Chef Werner Muhm den Kanzler unter Druck gesetzt haben. Das wird jetzt schwer in den nächsten Tagen, wenn die Chefs auf einen grünen Zweig kommen sollen. Spindelegger: "Wir können nicht in eine Regierung gehen, wo wir erst im Lauf der Jahre sehen, was passiert. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung." Faymann könne dann halt eine Minderheitsregierung versuchen oder so.

Das ist auch nicht wirklich ernst zu nehmen. Auch Spindelegger steht unter Druck, die Regierungsbeteiligung nicht sausen zu lassen.

In der ÖVP gibt es Stimmen, die bereit wären, der SPÖ eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zuzugestehen. Kommt nicht infrage, sagt Spindelegger, das wäre ein Tabubruch und ein Schlag für die bürgerlich-ländlichen Wähler. Die Neos würden profitieren.

ÖVP in schlechter Lage

Allerdings ist die ÖVP mit ihrer Weigerung, Eigentumssteuern einzuführen und/oder zu erhöhen, in der schlechteren Lage, was den Politverkauf betrifft. Die meisten Leute glauben, dass eine Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer sie nicht betreffen würde. Gleichzeitig steht die Volkspartei als unsympathische Kürzerin da, die den Menschen von der heiligen Pension etwas wegnehmen will. Die SPÖ, deren Wähler fast nur noch aus Pensionisten bestehen, hat hier eine scheinbar unüberwindliche Scheu, Maßnahmen zu treffen, die den rasanten Anstieg der Staatszuschüsse zu den Pensionen abbremsen. "Hundstorfer redet immer davon, dass seine Maßnahmen eh greifen", sagt Spindelegger, "aber das faktische Pensionsantrittsalter ist nur um ein paar Monate gestiegen."

Die Volkspartei als unsympathische Sparmeisterin, während die SPÖ den Leuten erfolgreich einredet, es werde sich eh alles ausgehen und dass die VP "mit einer Grauslichkeit nach der anderen daherkommt" (so der neue oberösterreichische SPÖ-Chef Entholzer). Und der Wiener Bürgermeister Häupl macht sich über Experten wie Hundstorfers eigene Pensionskommission lustig, die einen Fehlbetrag von fast neun Milliarden Euro ausgerechnet haben.

Die ÖVP als verkniffene Sozialkürzer-Partei, die SPÖ als lächelnde Valium-Verteilerin. Dreimal darf man raten, wer populistisch punktet.

Richtig ist allerdings, dass eine neue Regierung nicht mit bloßen Einsparungsprogrammen daherkommen kann. Eine Einkommenssteuersenkung wird sich jetzt nicht machen lassen (auch mit einer Vermögenssteuer als Gegenfinanzierung nicht). Die Koalitionspartner könnten ja gemeinsam überlegen, wie man etwa Förderungen zu den wirklich Bedürftigen umleitet. (HANS RAUSCHER, DER STANDARD, 30.11.2013)