Zum Defizit zitieren Blau und Grün den Kanzler in den Nationalrat - gegen die Finanzministerin wird das schärfste Instrument in Stellung gebracht.

Foto:

Wien - Bei der Sondersitzung des Nationalrats zum Budgetloch am Dienstag zitieren Blau und Grün nicht nur Kanzler Werner Faymann (SPÖ) ins Plenum, Glawischnig, Kogler & Co wollen dabei auch das schärfste parlamentarische Instrument gegen Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) in Stellung bringen: die Ministeranklage. Laut Artikel 51, Absatz 8 des Bundesverfassungsgesetzes ist bei der Haushaltsführung der Republik auf "die möglichst getreue Darstellung der finanziellen Lage des Bundes" zu achten, heißt es in dem grünen Antrag - und diese Pflicht sehen die Grünen von der Finanzministerin verletzt.

Konkret hält Finanzsprecher Werner Kogler Fekter vor, dass ihr Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2017 für die maroden Banken Ausgabenobergrenzen von jeweils bloß 133 Millionen Euro vorgesehen hat - obwohl ihr längst klar gewesen sein müsste, dass allein für die Hypo Milliarden fällig werden. SPÖ und ÖVP haben sich mittlerweile auf einen Fehlbetrag von 5,8 Milliarden für die Banken bis 2018 verständigt.

Freilich hat der grüne Antrag auf eine Ministeranklage keine Chance auf eine Mehrheit. Erst ein Mal in der Zweiten Republik ist eine gegen einen Amtsträger wirksam geworden, sodass der Verfassungsgerichtshof dessen Vorgehen verurteilt hat: Landeshauptmann Wilfried Haslauer senior (ÖVP) hatte am 8. Dezember 1984 die Geschäfte offengehalten - entgegen einer Weisung von Sozialministers Alfred Dallinger (SPÖ).

Zoff wegen Minderheitsrechten

Doch noch bevor die neue alte Koalition steht, ist ihr Verhältnis zur Opposition schon an einem Tiefpunkt angelangt - und das, obwohl SPÖ und ÖVP nun vor allem FPÖ und Grüne bräuchten, wenn sie Materien, die eine Verfassungsmehrheit benötigen, im Nationalrat durchbringen wollen. Zuletzt hatten sich Rot und Schwarz äußerst skeptisch über das Einsetzen von U-Ausschüssen als Minderheitsrecht geäußert. Kogler, der ein Untersuchungsgremium zum Budgetloch für angebracht hält, grimmig: "Wenn das so ist, sehen wir keine Notwendigkeit mehr, Zweidrittelmehrheiten zu organisieren." Und nicht nur das: Neben seriellen Sondersitzungen prophezeit der grüne Vize, dass die Opposition ab sofort "sehr kreativ" sein wird, um den Regierungsparteien mit ihrer Forderung nach einem Ausbau der Kontrollrechte "auf die Nerven" zu gehen.

Auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält das ständige Aufschieben für "demokratiepolitisch bedenklich". Was der Experte noch für absurd hält: dass SPÖ und ÖVP ihrer geplanten parlamentarischen Kommission, die über den Ausbau der direkten Demokratie beraten soll, bis zu einem Jahr Zeit geben wollen. Ein neuer Modus für eine Aufwertung erfolgreicher Volksbegehren wäre für Mayer genauso "in wenigen Wochen zu schaffen" wie die längst fällige Abschaffung des Amtsgeheimnisses - internationale Vorbilder dafür gebe es genug. Aber, so der Verfassungsrechtler: "Ich fürchte, dass die Verhandler zu einem sinnvollen Ausbau der direkten Demokratie gar nicht in der Lage sind."  (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 30.11.2013)