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Manche sagen, das Wort käme vom Reisegepäck der k. u. k. Beamten, das man hier noch nie gesehen hatte. Andere meinen, der Ausdruck "kuferasi" stamme von der Kaste der Handelsvertreter aus der Monarchie, die bis in den letzten Winkel des Okkupationsgebietes vordrangen und ihre Musterkoffer mithatten. "Ganz im Sinne der Hoffnung der österreichisch-ungarischen Politiker nicht nur machtpolitisch, sondern wirtschaftlich in den Balkan zu expandieren", erklärt die Wiener Historikerin Tamara Scheer. Die Firmenvertreter und die reisenden Beamten hätten - etwa zur Landesvermessung und Grundbucherstellung - ständig den Koffer mit sich herumgeschleppt.

Sicher ist: Ein "kuferasi" ist jemand, der einen Koffer trägt. Und im Okkupationsgebiet Bosnien-Herzegowina wurde der Ausdruck - neben dem Ausdruck "Svaba" - irgendwann einfach für Leute verwendet, die aus der Monarchie kamen. Mitunter war auch wichtig, was alles in den Koffer hineinpasste. "Ein anderes war das Wort 'Kuferasch', worunter man den mit leerem Koffer nach Bosnien gekommenen und mit vollem Koffer, also reich, aus Bosnien abgehenden österreichischen Beamten - ungarische gab es sehr wenige - verstand", schreibt der Balkankenner Franz Baron Nopcsa in seinen Lebenserinnerungen Anfang des 20. Jahrhunderts.

Schon damals waren es vor allem die Ausländer, die die gut bezahlten Jobs bekamen. 1912 schrieb die Zeitung Zeman über die "kuferasi": "Auch heute sind alle wichtigeren Beamtenstellen in den Händen der Fremden. Der Minister, der Landeschef, der Ziviladlatus, 5 Sektionschefs im Ministerium, 4 Sektionschefs bei der Regierung, 7 Hofräte, 9 Regierungsräte, der Obergerichtspräsident, der Präsident der Handelskammer sowie der Advokatenkammer, 6 Kreisgerichtspräsidenten, 4 Kreisvorsteher, 47 Bezirksvorsteher, 17 Gerichtsrate, 44 Steuereinnehmer (...) all das ist ein Fremder, alles ein eingefleischter Kuferasch. Österreich-Ungarn hat dieses Volk nicht kultiviert, sondern Brot für seine Landsleute verschafft."

Billiges Leben in Mostar

Tatsächlich ging es den k. u. k. Soldaten und Beamten ziemlich gut. "Garnisonen wie Sarajevo und Mostar galten als günstig, und die schlecht bezahlten Offiziere konnten hier weit besser leben und sich mehr leisten als etwa in Graz, Triest, Budapest oder Prag", erzählt Scheer, die am Ludwig-Boltzmann-Institut für Historische Sozialwissenschaft arbeitet. Sie zitiert den k. u. k. Offizier Joseph Stürkgh, der Anfang der 1880er in Bosnien-Herzegowina war: "Das Leben war billig, halbwegs gute Wohnungen fand man unschwer, und verheiratete Offiziere und Beamte lebten dort mindestens ebenso leicht, ja vielfach leichter und zweifellos angenehmer als in vielen Inlandsorten." Offiziere und ihre Familien nahmen "unbestritten den ersten gesellschaftlichen Rang" ein, so Stürkgh. Dieses Elitenbewusstsein wurde durchaus zur Schau getragen. "In Bosnien-Herzegowina dürfte man sich weit mehr als in anderen Garnisonen als große Herren, als überlegene, deutschsprechende gesellschaftliche Gruppe in der Öffentlichkeit präsentiert haben", sagt Scheer. Das führte nicht nur zu Spannungen, man machte sich auch lustig. "Jene, die wir zur Kultur und Ordnung führen sollten, hatten für uns häufig nur das Gefühl des Hasses und der Verachtung und nannten uns missachtend Svabas", schrieb Stürkgh.

"'Kuferasi' war wiederum ein Ausdruck dafür, dass man sich gegenseitig als exotisch und ungewöhnlich sah", erklärt Scheer. Tatsächlich erwarteten sich die "kuferasi" einen orientalischen Kulturkreis. Scheer zitiert Anton Lehár, der 1893 hierher kam: "Der Bürgermeister hatte noch vier Frauen. Unsere Offiziersdamen besuchten sie im Harem. Sie kamen stets enttäuscht zurück. Es wollte sich dort absolut nichts Romantisches ereignen." Die Bedeutung des Worts "kuferasi" hat sich heute völlig verändert. "Das sind die Leute, die im letzten Krieg aus dem Sandschak, der Herzegowina oder aus Ostbosnien hierher gekommen sind und nur einen Koffer bei sich hatten", sagen die Leute in Sarajevo unisono. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 30.11.2013)