Zur Abwechslung betrete ich nicht den Hörsaal, sondern einen Online-Campus. Zu einer verabredeten Uhrzeit treffen sich 15 Personen nach einem Log In in einem Adobe-Forum, um eine anstehende Gruppenarbeit zu besprechen. Es ist keine Video, sondern eine reine Audiokonferenz. Wer etwas sagen will, kann per Mouseklick "aufzeigen". Dann wird mit ein bisschen Glück sein Mikrophon von der Leiterin des Forums für eine Wortmeldung freigeschalten. Das dient dazu, dass nicht alle durcheinanderreden, also wie im richtigen Leben – wenn nicht sogar disziplinierter.

Gleichzeitig hat man am Bildschirm eine Chatfunktion offen, in der man das Gesagte kommentieren kann. Freundlich womöglich, denn die Nettiquette spielt hier eine große Rolle. Dadurch, dass man sich nicht sieht, können unbedachte Bemerkungen beim Gegenüber noch schneller in die falsche Kehle kommen, als beim F2F (Face-To-Face)-Treffen an der Uni oder im Konferenzzimmer. Hin und wieder reißt die Verbindung ab, es gibt ein Echo oder der Ton ist zu leise. Ein Headset, so lerne ich, wäre von Vorteil. Trotzdem ist es eine tolle Möglichkeit, dass so viele Personen, die zum Teil sogar  in unterschiedlichen Kontinenten sitzen, in Echtzeit kommunizieren und miteinander lernen können.

Das Lernen in internationalen, interkulturellen Teams im virtuellen Raum ist eine große Herausforderung, nicht nur eine technische. Es wird aber sicher an Bedeutung gewinnen, insofern ist es von Vorteil, dass die Informatikstudentinnen bei vielen Lehrveranstaltungen dazu gezwungen werden, in Gruppen zu arbeiten. Meist haben sie den Vorteil, sich auch persönlich treffen zu können, aber auch der Umgang auf diversen Medienkanälen wird geübt. Dabei spielen auch Facebook und andere Short Messages-Plattformen eine Rolle, zum Beispiel, wenn man sich kurz und informell Bescheid geben will, dass man ein Dokument für eine gemeinsame Arbeit hochgeladen hat, ohne einander telefonisch in einer Vorlesung zu stören.

Viele Lehrveranstaltungen werden bereits von Angeboten auf der Online-Lernplattform Moodle begleitet, Skripten müssen nicht mehr auf Papier gekauft werden. Immer mehr Vorlesungen an der Uni werden gestreamt und man kann die Lerninhalte auch von zu Hause oder wo auch immer verfolgen. Trotzdem bedeuten all diese technischen Möglichkeiten noch nicht das Ende der überfüllten Hörsäle. Sicher kann man viele Inhalte online nachlesen- oder hören, das Selbststudium verlangt aber noch mehr Disziplin und Zeitmanagement als der gute, alte, bisweilen chaotische Unialltag. (Tanja Paar, derStandard.at, 28.11.2013)