Bild nicht mehr verfügbar.

Die Formel für eine gerechte Verteilung ist noch nicht gefunden, schon an den Grundlagen hapert es.

Foto: dpa/weigel

Es wurde viel genickt bei der dritten Reichtumskonferenz in Wien. Wie lässt sich Reichtum rechtfertigen, wollte man sich fragen, auch wenn dann mehr darüber gesprochen wurde, warum er sich nicht rechtfertigen lässt. Zur Konferenz trafen am Mittwoch diverse NGOs wie etwa Attac oder das Netzwerk Armutskonferenz in der Arbeiterkammer zusammen.

Die große Konzentration von Vermögen ist ein soziales und demokratisches Problem. Darüber waren sich quasi alle vertretenen Organisationen einig. "Durch das Immer-reicher-Werden einer immer kleineren Schicht verschiebt sich das Machtzentrum", so der Soziologe Michael Hartmann. Das Vermögen der Reichsten werde nicht besteuert und dessen Verwendung damit nicht demokratisch bestimmt. Statt eines Parlaments würden einige wenige Menschen als Wohltäter in Stiftungen nach "Gutdünken" entscheiden, was finanziert werde und was nicht. "Gleichzeitig gehen Ärmere viel weniger wählen", fasst Hartmann das demokratiepolitische Problem zusammen.

Hartmann über die Rechtfertigung von Vermögen. Foto: Rybaczek / Die Armutskonferenz
Foto: Rybaczek/Die Armutskonferenz

Der Deutsche referiert eloquent, humorvoll, über das Thema spricht er sichtlich oft. Die meisten der über 2.000 Milliardäre auf der Welt hätten ihr Geld über Beziehungen zur Politik erwirtschaftet, sagt der oft als "Elitenforscher" bezeichnete Soziologe. Unter den Reichen unterscheidet er zwei Gruppen. Zwei Drittel derer, die in einem reichen Elternhaus aufgewachsen sind, sind der Meinung, dass man es in der Gesellschaft durch Leistung nach oben schafft. Die sogenannten Neureichen sind zu zwei Dritteln einer anderen Meinung. Dasselbe Muster finde sich auch bei der Debatte um höhere Steuern, so Hartmann.

Die Thesen des Soziologen finden breite Zustimmung im Saal. Als er seinen Vortrag beendet, folgt tosender Applaus. Er spricht den Menschen hier aus der Seele. Viele beschäftigen sich beruflich und privat mit Armut, exorbitante Reichtümer sind ihnen ein Dorn im Auge. Bei den Vorträgen und Diskussionen sind sich die meisten einig: Eine Vermögenssteuer muss her. Dass sie in realistischer Ausformung wenig an der wirklichen Verteilung von Vermögen ändern würde, wird nicht dazugesagt. Zumindest bis Nationalbank-Ökonom Martin Schürz die Bühne betritt.

Nationalbank-Ökonom Schürz. Foto: Rybaczek / Die Armutskonferenz

"Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, in der Reichendiskussion weiterzugehen", sagt Schürz, der sich wissenschaftlich mit der Messung von Vermögen in Österreich beschäftigt. "Es geht auch ums Wegnehmen", spricht er das deutlich aus, was sonst alle meinen, aber meistens niemand sagt. Das Datenmaterial über Vermögen in Österreich sei lange nicht so, wie es sein sollte, sagt Schürz, auch weil es politisch nicht gewollt sei. "Im Europa-Vergleich ist das, was wir haben, aber von sehr hoher Qualität." Für die Politik hat er wenig lobende Worte. Ihr fehle die Fähigkeit, "bei Einkommen nach unten und bei Vermögen nach oben zu schauen".

Für manche ist Reichtum aber nicht nur moralisch ein Problem, sondern auch sozial. "Es gibt einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem Reichtum der einen und der Armut der anderen", ist sich eine Vertreterin von Attac sicher. Warum das so ist, bleibt sie den Besuchern aber schuldig. Martin Schenk von der Diakonie relativiert das im Gespräch mit derStandard.at ein bisschen. "Das Zentrale sind Themen wie Gesundheit, Bildung und Wohnen", so der Sozialexperte. Dort müsse man ansetzen. Eine Vermögenssteuer könne aber in Zeiten hoher Staatsschulden bei der Finanzierung helfen.

Das Bildungszentrum der Arbeiterkammer. Foto: Rybaczek / Die Armutskonferenz
Foto: Rybaczek/Die Armutskonferenz

Die Koalitionsverhandlungen verfolgt er mit einem etwas mulmigen Gefühl. "Die NGOs werden zwar gefragt, wir schreiben Papiere, aber letztendlich findet das alles keine Berücksichtigung." Wenn gespart werden müsse, dann werde das meistens dort gemacht, wo es die geringste Gegenwehr gebe, also bei den Armen. Auch vor dem Kürzen mit dem Rasenmäher im Subventionsbereich warnt er. "Subventionen klingen nicht sexy, aber allein 600 Millionen gehen direkt an Dinge wie Mutter-Kind-Häuser, Frauenhäuser und Schuldnerberatungen."

Gleich nach dem Gespräch vertieft sich Schenk wieder in die Diskussion mit Teilnehmern der Konferenz. Einige Politiker der Grünen und der SPÖ sind auch da, viele Wissenschafter und Aktivisten tauschen sich aus. Es wirkt ein wenig, als seien hier ohnehin alle einer Meinung. Einzig an den Lösungen scheint es zu scheitern. Eine Sozialarbeiterin drückt es so aus: "Ich bin öfter bei solchen Konferenzen, nehme mir immer viel mit, aber passieren tut dann letztlich nie etwas." (Andreas Sator, derStandard.at, 28.11.2013)